Dr. Helmut Pöltelt: Braunkohle sollte vermehrt als Rohstoff für die Industrie eingesetzt werden, statt ihn einfach zu verbrennen
Beispiel ROMONTA: 400 Arbeitsplätze bei einem Tagebau von nur 3 km² Größe. Die chemische Produktion läuft dort seit 1922. (Bildquelle: Wikipedia – Wolkenkratzer)
Ginge es nach dem Willen der Bundesumweltministerin Hendricks und von Bündnis 90/Die Grünen, würden mit dem Abschalten aller Braunkohlekraftwerke und der Dekarbonisierung Deutschlands in der Lausitz und anderen Kohlerevieren alle Lichter ausgehen. Ende der Wertschöpfung, Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit für die Jugend wären die Auswirkungen und würden das Aus ostdeutscher Wirtschaftsregionen besiegeln.
Das wollen wir nicht, und es ist möglich, den drohenden Niedergang der Braunkohle aufzuhalten und schrittweise umzukehren. Allerdings müssen sich die Landesregierungen dann von der Vorstellung lösen, das könnte durch gigantische Fördermittelzuwendungen des Bundes zur „Strukturanpassung“ geschehen. Hier sind neue Denkweisen, Ideen und Herangehensweisen gefragt. Die Bekundungen der Ministerpräsidenten von Sachsen, Tillich, und Woidke von Brandenburg am 03.08.2017 in Weißwasser nähren Hoffnungen. Die Lausitzregion soll zu einem Zentrum von Wissenschaft, Bildung und Technologie umgebaut und gestärkt werden. Das ist dann richtig, wenn Wissenschaft und Technologie inhaltlich ausgerichtet sind auf die stoffliche Nutzung der Braunkohle durch Kohleveredlung und Kohlewertstoffgewinnung. Beide haben in der Lausitz über Ländergrenzen hinweg eine lange Tradition.
Um der Lausitz diese Perspektive nachhaltig zu geben, sind folgende Handlungsrichtungen notwendig:
1. Die ideologische Geringschätzung oder gar Verteufelung des Bodenschatzes Braunkohle in der Lausitz ist ein grober strategischer Fehler, der leider bis in die Bundesregierung hineinreicht. Dieser Trend muss endlich beendet werden und die Braunkohle als Zukunftschance erkannt werden.
2. Die nachhaltige Sicherung des Wirtschaftsstandortes Lausitz erfolgt langfristig überregional durch die stoffliche Nutzung der Braunkohle. Wirtschaftswachstum, Wertschöpfung, Arbeitsplatzsicherung und –schaffung sowie Innovation bilden eine Einheit. Grundvoraussetzung ist ein Gesamtkonzept zur Entwicklung der Region.
3. Die bekannten Verfahren und Technologien zur Kohleveredlung und Wertstoffgewinnung (Verkokung, Verschwelung, Kohlehydrierung, Kohlevergasung, Acethylengewinnung, … ) werden überprüft und auf den modernen Stand der technischen Entwicklung gebracht. Sie sollen dadurch wirtschaftlich zukunftsfähig gemacht werden. Möglichkeiten der Digitalisierung werden genutzt.
4. Bekannte Schwerpunkte sind: die Fischer-Tropsch-Synthese, das Bergius-Verfahren, das Lurgi-Druckgasverfahren, die GSP-Flugstromvergasung, das Koppers-Totzek-Verfahren und die Wirbelschichtvergasung im Winkler-Generator. Daneben sollte die Entwicklung und Erprobung neuer Verfahren ermöglicht und gefördert werden.
5. Als perspektivische Chemierohstoffe werden gewonnen: Paraffine, Aromaten, Phenole, Naphthene, Benzol, Methanol, Alkane, Acethylen, Synthesegas, Essigsäure, Acrylsäure und weitere.
6. Der Einsatz der Chemierohstoffe aus der Kohleveredlung in der chemischen Industrie und der pharmazeutischen Industrie dient der Ablösung teurer Importe und der Ablösung von Produkten der Erdölchemie.
7. Die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg und die TU Bergakademie Freiberg übernehmen die wissenschaftlich-technische Federführung für die stoffliche Kohlenutzung. Während das Wissenschaftspotential in Freiberg sofort nutzbar wäre, muss in Cottbus eine Fakultät für Verfahrenstechnik/Chemie neu gegründet und aufgebaut werden.
8. Mit Entwicklung und Ausbau der stofflichen Kohlenutzung verringert sich der Anteil der energetischen Nutzung durch Kohleverbrennung. Damit wird ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz, zur Ressourcenschonung und zur Verwirklichung der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes Brandenburg geleistet.
Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie sich – ohne ideologische Scheuklappen vor den Augen – intensiv inhaltlich mit dieser realistischen Perspektive beschäftigt und die entsprechenden Beschlüsse fasst.
Dr. Helmut Pöltelt
Landespolitischer Sprecher für Energieversorgung von BVB / FREIE WÄHLER