Stellungnahme zu den Äußerungen des Ministerpräsidenten Dietmar Woidke zur Energiepolitik in der Aktuellen Stunde vom 28.04.2016
Zusammenfassung:
Ministerpräsident Dietmar Woidke behauptete in der Aktuellen Stunde, die Landesregierung hätte seit Jahren massiv in Speichertechnologie investiert. Aus den Antworten auf unsere Kleinen Anfragen wird jedoch klar: Es wurde nichts erforscht, es wurde nichts geplant, und es wurde nichts gebaut, das dem Ausgleich der volatilen Einspeisung dient. Die Landesregierung hat nichts für die Speicherung getan!
Zudem kündigte er an, sich bei der Bundeskanzlerin für mehr Investitionen in Forschung und Bau von Energiespeichern einzusetzen. Aus den Antworten auf unsere Kleinen Anfragen folgt jedoch: Der Landesregierung ist nicht einmal ein Wirkprinzip bekannt, das hierzu in der Lage wäre. Die notwendige Speicherung von Energiemengen im GWH-Bereich ist auf absehbare Zeit keine realistische Option!
Zudem forderte er verstärkten Netzausbau. Der Ausbau der Windkraft wird in den nächsten 15 Jahren jedoch bei durchziehenden Tiefdruckgebieten für ein bundesweites Überangebot an Windkraft sorgen. Selbst mit optimalem Netzausbau ist zu erwarten, dass es 2030 bei starkem Wind nicht genug Abnehmer für die zusätzlichen Windkraftanlagen in Brandenburg gibt.
Unsere Forderungen:
1. Stopp des weiteren Windkraft-Ausbaus in Brandenburg, so lange es keine ausreichenden Speicher gibt.
2. Das EEG sollte in den nächsten Jahren auslaufen. Stattdessen muss auf den europaweiten Emissionshandel gesetzt werden.
Langform des gesamten Vortrags mit Quellen:
Das Hauptproblem der Windkraft ist die Unbeständigkeit. Der Wind weht nur manchmal, dann aber kräftig. Die Stromerzeugung von Windkraftanlagen wächst zudem mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit. Eine Verdreifachung der Windgeschwindigkeit verursacht Versiebenundzwanzigfachung der Stromerzeugung. Daher liefern Windkraftwerke periodisch beim Durchziehen von Tiefdruckgebieten – also „Stürmen“ – riesige Mengen Strom.
In Zeiten mit niedriger Windgeschwindigkeit liefern sie hingegen tage- oder gar wochenlang so gut wie keine Energie. Ministerpräsident Dietmar Woidke nannte das letzte Woche „unzuverlässigen Strom“. Aus unserer Sicht zu Recht. Doch er behauptete und implizierte in seiner Rede auch einige Dinge, die so nicht stimmen.
Rede von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke bei der Aktuellen Stunde am 28.04.2016
Hat die Landesregierung seit Jahren in Speicher zum Ausgleich der volatilen Einspeisung und deren Erforschung investiert?
Ministerpräsident Woidke hatte behauptet, dass die Landesregierung seit Jahren in Forschung und Ausbau der Energiespeicherung investiert. Zitat: „Wir müssen intensiv daran arbeiten, und das macht das Wirtschaftsministerium schon seit einigen Jahren […], dass wir ganz gezielt in die Zuverlässigkeit von Erneuerbaren Energien investieren müssen. Wir brauchen den Netzausbau, und wir brauchen Speicherlösungen!“
Ministerpräsident Dietmar Woidke – Rede zur Aktuellen Stunde 28.04.2016, Landtag Brandenburg
Dazu die Antworten auf einige Kleine Anfragen:
„An elektrischen Energiespeichern zum Ausgleich der volatilen Einspeisung aus Windenergie wird im Land Brandenburg aktuell nicht geforscht.“
Antwort Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit bei Windkraftanlagen“ April 2015, Drucksache 6/1144, Frage 8
Wurde wenigstens etwas gebaut oder geplant?
„Die [bis 2030 in Brandenburg geplanten] Speicher dienen der Frequenzhaltung im Netz. Ausbleibende Einspeisung aus EEG-Anlagen kann damit nicht kompensiert werden.“
Antwort Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit bei Windkraftanlagen“ April 2015, Drucksache 6/1144, Frage 13
Es wurde nichts gebaut, geplant oder auch nur erforscht, das die volatile Einspeisung kompensieren könnte. Auch in der Energiestrategie 2030 der Landesregierung findet sich keine Planung von Energiespeichern oder auch nur Abschätzung für deren Bedarf. Wie auch? Sämtliche Berechnungen des Energiekonzeptes der Landesregierung basieren auf Jahresbilanzen. Das vom Ministerpräsidenten hervorgehobene Problem der „unzuverlässigen“, von Stunde zu Stunde massiv schwankenden Einspeisung kann damit nicht einmal erfasst, geschweige denn abgeschätzt werden. Das Problem wird durch diese für volatile Energiequellen völlig ungeeignete Betrachtungsweise einfach verschleiert. Über Speicher zum Ausgleich der volatilen Einspeisung wurde jahrelang viel geredet. Real passiert ist gar nichts!
Fazit 1: Brandenburg war bei der Energiespeicherung völlig tatenlos. Auch im Energiekonzept 2030 der Landesregierung gibt es keinerlei Planung zur Energiespeicherung oder Abschätzungen von deren notwendiger Größe. Von jahrelangen Investitionen und Einsatz für Speicherlösungen kann keine Rede sein.
Ministerpräsident Woidke beschwerte sich auch, dass die EEG-Milliarden NICHT für die Erforschung und Förderung von Speichertechnologien eingesetzt werden. Er kündigte an, dass er sich in Kürze bei Bundeskanzlerin Merkel dafür einsetzen wird. Daher unsere nächste grundsätzliche Frage:
Sind Speicher eine realistische Lösung für die volatile Einspeisung der Windkraft?
Dazu müssen wir erst einmal wissen, wie viel Speicher wir in etwa brauchen.
Daten zur Netzeinspeisung vom Netzbetreiber 50 Hertz, anteilig gemäß der installierten Nennleistung für Brandenburg. Die Daten sind jeweils um 12:00 Uhr gemessen worden. Die rot dargestellte Abregelung der Windkraft bedeutet, dass in dieser Zeit zu viel Strom eingespeist worden wäre. Es gab nicht genug Verbraucher, die Windräder wurden vom Netzbetreiber daher zeitweise stillgelegt, um das Netz nicht zu destabilisieren. Die Windkraftbetreiber erhalten in dieser Zeit gemäß § 15 EEG trotzdem die fiktive Produktion als „Schad
enersatz“ bezahlt. Die Kosten werden über die EEG-Umlage auf die Verbraucher abgewälzt.
Die Abregelung tritt in Brandenburg im Schnitt bei 3.800 MW Gesamteinspeisung aus Photovoltaik und Wind ein. Der Anteil der Abschaltung im Bereich von 50 Hertz betrug 2015 bereits rund 6 %. Das bedeutet, dass 6 % der vom Verbraucher über die EEG-Umlage gezahlten Windkraft-Förderung in diesem Bereich real Schadenersatzzahlungen für Abschaltungen waren. Genau diese Überproduktion wollen wir speichern.
Allerdings ist bis 2030 ein massiver Ausbau geplant, daher eine Simulation gemäß Plänen der Landesregierung mit 10.500 MW Windkraft – unter der Annahme, dass wir 2030 das gleiche Wetter haben wie 2015. Zudem treffen wir die Annahme, dass weiterhin bei rund 4.000 MW abgeregelt wird.
Welcher Bedarf an Speicherkapazität ergibt sich? Spezialfälle wie mehrere direkt aufeinanderfolgende Spitzen wie im Januar, November und Dezember zu sehen, lassen wir außen vor. Wir wollen jedoch die Energiemenge einer Spitze speichern, um sie in der anschließenden windärmeren Zeit abrufen zu können. Der Überschuss schwankt zwischen 4.000 MW am Tag bis zu 6.000 MW in der Nacht. Wir rechnen mit 5.000 MW. Die Dauer dieser Spitzen ist für gewöhnlich 4 bis 6 Tage, wir rechnen mit 100 Stunden (~ 4 Tage).
5.000 MW x 100 Stunden = 500.000 MWh
Diese Größe ist schwer vorstellbar. Daher werden wir sie anschaulich machen und dabei auch sehen, ob die entsprechende Lösung realistisch ist.
Pumpspeicherwerk
Das Bild zeigt das Pumpspeicherwerk Geesthacht in der Nähe von Hamburg. Die Speicherkapazität beträgt 400 MWh. Wir müssten für unseren Bedarf diese Anlage proportional um das 1.250 fache vergrößern. Das obere Becken hätte bei 10 Metern Tiefe eine Fläche von 183 km². Das ist 65 Mal die Fläche des Großen Wannsees.
Beim Füllen müssten 100 Stunden lang im Schnitt rund 5.000 m³ pro Sekunde in das obere Becken gepumpt werden. Dies wäre mehr als die kombinierte Wasserführung der Elbe und Oder zusammengenommen. Man würde diese Flüsse leer pumpen und hätte noch immer nicht genug Wasser. Folglich bräuchte man auch ein gleich großes unteres Becken als Vorrat. Daraus ergibt sich ein gesamter Flächenbedarf von 350 km², davon die Hälfte eine um mindestens 100 Meter höher liegende Hochebene.
Wir sehen bereits, dass diese Lösung nicht realistisch ist. Also zu einem anderen Lösungskonzept.
Lithium-Ionen-Akkus
Ein bekannter Hersteller für Elektrospeicher bietet ein Produkt namens Powerwall für Haushalte an. Dieses kann 10 kWh speichern. Es gibt jedoch auch die deutlich größere Variante für kommerzielle Anwendungen. Diese ist die aktuell günstigste uns bekannte Variante am Markt. Sie kann 100 kWh speichern, die Kosten betragen 25.000 Euro pro Stück. Wir benötigen davon 5 Millionen Stück, was einen Preis von 125 Milliarden Euro ergibt – natürlich noch ohne Transport und Installation.
Sind hier Kostensenkungen zu erwarten? Ja, laut Prognosen des SEI (Stockholm Environment Institute) sinken die Kosten bis 2030 asymptotisch gegen 150 Euro / kWh (siehe Diagramm). Damit würden unsere Speicher 2030 nur noch 75 Milliarden Euro kosten. Die Lebensdauer beträgt voraussichtlich 10 Jahre, womit 7,5 Mrd. im Jahr nur für die Aufrechterhaltung des Brandenburger Speichers benötigt werden. Wir sehen: Es ist noch immer um Größenordnungen zu teuer. Abgesehen davon würden die nächsten 10 Jahre alle bestehenden Hersteller des Planeten nur noch an Batterien für Brandenburg arbeiten. Und wir würden allein die aktuelle jährliche Lithium-Förderung des gesamten Planeten verbrauchen, was den Lithium-Preis explodieren lassen würde. Also zum nächsten Konzept.
Methansierung
Die Grünen schlagen Methanisierung zur Speicherung vor. Der überschüssige Strom wird für Elektrolyse eingesetzt. Der entstehende hochreaktive und schwer speicherbare Wasserstoff reagiert dann mit CO2 zu Methan. Dieses synthetische Erdgas kann dann in Erdgasspeichern zwischengespeichert werden. Bei Bedarf wird das synthetische Methan entnommen und in Gaskraftwerken rückverstromt.
Das Problem: Der Wirkungsgrad der langen Kette beträgt nur 14 % bis 36 %, ist also unsagbar ineffizient. Selbst im günstigsten Fall werden für 1 kWh zurückgewonnener Energie zuvor 3 kWh hochsubventionierten EEG-Windstroms – also über 30 Cent – eingesetzt.
Prozesskette Methaniserung. Schnurbein, Vladimir von: Die Speicherung überschüssigen EEG-Stroms durch synthetisches Methan, Abbildung 2
Die Bau- und Betriebskosten der Anlagen für Elektrolyse, Methansierung, Gasspeicher und Gaskraftwerke sind von diesen 30 Cent noch nicht einmal bezahlt. Vladimir von Schnurbein kommt in seiner Studie auf einen realistischen Preis von 79 bis 228 ct/kWh. Das wäre das 8- bis 20-fache der ursprünglich gezahlten EEG-Subvention pro kWh.
Mit Kostensenkungen oder Effizienzgewinnen ist hier – entgegen den Träumereien der Grünen – nicht zu rechnen. Denn alle Teilschritte sind ausgereifte Technologien, die bereits seit Jahrzehnten im Masseneinsatz sind. Elektrolyse ist seit 150 Jahren einer der wichtigsten Prozesse der chemischen Industrie. Methansierung ist seit 1983 in den USA im Masseneinsatz. Und die Rückverstromung erfolgt durch nichts anderes als die seit einem halben Jahrhundert im Masseneinsatz befindlichen Gaskraftwerke. Denen sind als Wärmekraftmaschinen durch die Gesetze der Physik enge Grenzen im erreichbaren Wirkungsgrad gesetzt. Und die Gesetze der Thermodynamik gelten auch in Brandenburg, das notwendige Perpetuum mobile zweiter Art ist nicht zu erwarten.
Hat die Landesregierung ein Ass im Ärmel?
Ma
n könnte jetzt Dutzende weiterer Beispiele aufzählen – etwa die zu teuren Leitungen nach Norwegen und den finanziell begründeten Unwillen der Norweger, dort ausreichend Pumpspeicher für die Deutschen aufzubauen. Aber fragen wir die Landesregierung selbst: Hat die Landesregierung ein Ass im Ärmel? Kennt sie irgendeinen Wirkmechanismus, der Elektroenergie in der benötigten Größenordnung mit akzeptablem Wirkungsgrad und Kosten speichern kann?
Sie verwies uns lediglich auf NaCompEx. (Antwort Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit bei Windkraftanlagen“ April 2015, Drucksache 6/1144, Frage 9) Leider war dies keine Antwort auf unsere Frage. Denn NaCompEx liefert keine Elektroenergie mit 80 % Wirkungsgrad zurück, sondern Wärme. Wenn diese in Elektroenergie umgewandelt wird, beträgt der Wirkungsgrad maximal 30 – 40 %. Also gibt es hier im Grunde die gleichen Probleme wie die von den Grünen geforderte Methanisierung.
=> Die Landesregierung kennt nicht einmal theoretisches potentielles Wirkprinzip zur finanziell vertretbaren Energiespeicherung. Der Ministerpräsident behauptete dennoch, bereits viel geforscht und investiert zu haben und fordert von der Kanzlerin die Anwendung von derzeit technisch unmöglichen Anlagen.
Fazit: Die Speicherung ist auf absehbare Zeit keine realistische Option!
Seit Jahrzehnten arbeiten weltweit Hunderttausende Wissenschaftler mit mehrstelligen Milliardenetats an diesem Problem. Selbst wenn der Ministerpräsident sein Engagement für Speichertechnologie ernst meint, er wird nichts daran ändern, dass es diese Technologie nicht gibt. Ein weiteres Forschungsprogramm bringt vielleicht kleine Fortschritte bei Kosten und Effizienz. Wir sind jedoch so weit von Marktreife entfernt, dass dies nicht genügen wird.
Mit einem wundersamen Durchbruch – wie der Verdopplung des Wirkungsgrads oder plötzlichen Kostensenkungen um 95 % – sollte man nicht rechnen. Falls es doch passiert, können wir Pläne anpassen. Aber jetzt wild drauflos bauen, Überkapazitäten schaffen und hoffen, dass ein wissenschaftlich-technisches Wunder geschieht, ist keine Planung, sondern Traumtänzerei.
Windkraft kontra Braunkohle?
Die Unmöglichkeit der Speicherung hat Folgen: Zur sicheren Versorgung muss Windkraft immer zu 100 % durch „Reservekraftwerke“ ergänzt werden. Die Bezeichnung „Reserve“ ist dabei eigentlich irreführend. Denn es sind diese „Reserve“-Kraftwerke, die 60-80 % der Jahresproduktion übernehmen. Eigentlich müsste man die Windkraft als zeitweise Ergänzung der konventionellen „Hauptkraftwerke“ bezeichnen – siehe auch die Planung der Landesregierung.
Energiekonzept 2030 (Landesregierung – SPD) – Szenario 1b
Bei 10.500 MW installierter Leistung an Windkraft werden dennoch zwei Drittel der Jahresproduktion an Elektroenergie durch konventionelle Kraftwerke erzeugt. Man sieht deutlich: Die Windräder werden nicht als ERSATZ für Braunkohlekraftwerke gebaut. Sie werden ZUSÄTZLICH zu den Braunkohlekraftwerken gebaut! Auch 2030 ist in allen noch relevanten Szenarien der Landesregierung in Jänschwalde ein neues Braunkohlekraftwerk als Ersatz für das dann aus Altersgründen stillzulegende Braunkohlekraftwerk geplant.
An dieser Stelle möchten wir mit einer Legende aufräumen: „Mit Windkraft wird man die Braunkohle los“. Weder plant, noch behauptet das die Landesregierung. Es ist nicht einmal möglich, nur auf Windkraft zu setzen, will man nicht in den windarmen drei Vierteln des Jahres ohne Strom auskommen. Tatsächlich hat man lediglich die Wahl, mit welcher anderen steuerbaren Energiequelle man die Windkraft kombiniert. Dennoch wird die Legende „Wir brauchen mehr Windkraft gegen die Braunkohle“ von Grünen und Windkraft-Lobby regelmäßig verbreitet. Und von vielen Bürgern sogar geglaubt. Aus unserer Sicht die erfolgreichste PR-Lüge Brandenburgs!
Ist Netzausbau eine Lösung?
Auch den verstärkten Netzausbau forderte der Ministerpräsident in seiner Rede energisch. Die Grundidee: Wir schließen mehr Verbraucher an, dann muss auch bei größerer Einspeisung kein Strom mehr weggeworfen werden. Allerdings ist auch der deutschlandweite Bedarf begrenzt. Zudem wird immer mehr Windkraft-Kapazität angeschlossen. In den letzten 5 Jahren waren es im Schnitt 3.100 MW pro Jahr. In den letzten 3 Jahren sogar 3.800 MW pro Jahr!
Daher stellen sich zwei Fragen:
Wie viel Strom müssen wir in windreichen Zeiten exportieren?
Besteht zu diesen Zeiten in Deutschland genug Nachfrage für diese Mengen?
Schon bei der Abschätzung der zu exportierenden Mengen an Strom scheitert die Landesregierung kläglich. Angeblich sei es nicht möglich
den Überschuss abzuschätzen, weil es unmöglich sei, die zukünftigen Wetterbedingungen zu berücksichtigen.
Das Vorgehen wäre einfach: Die Werte aus einem bekannten Jahr auf eine Nennleistung von 10.500 MW hochrechnen. Die Grünen schaffen es, das in ihrer Studie zu berechnen. Die kleinste Gruppe im Landtag schafft es, das zu berechnen. Die Landesregierung, die ein ganzes Ministerium zur Verfügung hat, schafft das nicht. Wir werden das nicht weiter kommentieren.
Wir haben es ja schon für die Speicher gesehen: Brandenburg wird bei starkem Wind regelmäßig Überschüsse in der Größenordnung von 5.000 MW haben. Wie ist die Bedarfsdeckung mit erneuerbaren Energien? Was werden die anderen Bundesländer zukünftig an Windstrom einspeisen? Das fragten wir die Landesregierung.
Antwort: „Zu dieser Frage, die sich nicht auf eine Zuständigkeit der Landesregierung bezieht, liegen der Landeregierung keine belastbaren Daten vor.“
Die Landesregierung plant ihren Windkraft-Ausbau, ohne Speicher zu planen, ohne zu wissen, wie viel exportiert werden muss, ohne zu wissen,
was in den anderen Bundesländern an Kapazität geplant ist.
Dann müssen wir das wohl machen. AKTUELL ist bundesweit gesehen die Einspeisung erneuerbarer Energien zumeist noch unter dem Strombedarf. Im Gegensatz zur regionalen Betrachtung in Nord- und Ostdeutschland sind Überschüsse noch die Ausnahme.Hier ein Beispiel: die letzten beiden Wochen.
Aber: Die Windkraft-Kapazitäten wachsen rasant. Zum Beispiel sind in Nord- und Ostsee Offshore-Anlagen von 25.000 MW Nennleistung geplant. Einige Bundesländer wie Baden-Württemberg haben bisher fast keine Windkraft, bauen jetzt aber aus. Bei der Hälfte der Bundesländer fanden wir keine konkreten Ziele. In den Fällen gingen wir sogar von gar keinem Zuwachs aus.
Trotzdem kommen wir in Summe 2030 auf über 85.000 MW Nennleistung Windkraft, mehr als das Doppelte des heutigen Wertes. Hinzu kommen außerdem Laufwasser-, Biomasse- und Industriekraftwerke mit einer Leistung von ca. 10.000 MW. Tagsüber kommt noch Photovoltaik hinzu mit 40.000 MW potenzieller Leistung.
Es wird eines klar: Bei der Umsetzung der Planungen wird die Einspeisung von EEG-Strom in Deutschland 2030 regelmäßig über dem Verbrauch liegen, nämlich immer dann, wenn ein Tiefdruckgebiet durchzieht. Und unsere dann anfallenden 5.000 MW an Überschüssen braucht dann niemand!
Fazit: Selbst mit optimalem Netzausbau ist zu erwarten, dass es 2030 bei starkem Wind nicht genug Abnehmer für die zusätzlichen Windkraftanlagen in Brandenburg gibt.
Daher unsere erste Forderung:
1. Stopp des weiteren Windkraft-Ausbaus in Brandenburg, solange es keine Speicher gibt
Dies behebt das Problem wachsender Überkapazitäten in Brandenburg, jedoch nicht das grundsätzliche Problem des EEG. Das Gesetz verursacht massive Fehlanreize.Sämtliche Marktmechanismen, die üblicherweise eine Überproduktion verhindern, werden durch das EEG komplett ausgehebelt.
Normalerweise fällt bei einem Überangebot der Marktpreis, bis sich die Produktion nicht mehr lohnt. Niemand baut mehr neue Produktionsanlagen. Die am wenigsten effizienten Anlagen werden stillgelegt. Doch der Marktpreis interessierte die Investoren bei der Windkraft nicht, denn sie haben durch das EEG eine Preisgarantie! Der zweite Stopper der Marktmechanismen ist der Mangel an Abnehmern – niemand kauft das überflüssige Produkt. Doch EEG-geförderte Anlagen haben nicht nur einen Einspeisevorrang, der noch zu akzeptieren wäre – bei Zwangsabschaltung wegen Überangebot im Netz erhalten sie gemäß §15 EEG Schadensersatz! Sie werden auch bezahlt, wenn niemand ihr Produkt (Strom zu einem bestimmten Zeitpunkt) braucht.
Für die Investoren besteht immer ein Anreiz, noch mehr Anlagen zu bauen – unabhängig davon, wie groß das Überangebot ist!
Bisher spielte das keine Rolle, weil noch bis vor 5 Jahren nirgends eine Überproduktion erreicht war. Inzwischen ist es in Nord- und Ostdeutschland soweit. Milliarden werden deutschlandweit für Abschaltungen und Netzeingriffe ausgegeben – 2015: 1 Milliarde Euro. 2016 schätzt man die Summe auf 1,5 Milliarden Euro. Tendenz: stark steigend. (Wirtschaftswoche 28.04.2016; Die Welt 17.01.2016)
Das Ganze erinnert damit in erschreckender Weise an den „Gemeinsamen Agrarmarkt“ der EG in den späten 70er und frühen 80ern: überschüssige Milchseen und Butterberge dank Preis- und Abnahmegarantien! Wir erleben gerade den Anfang davon im Bereich der EEG-geförderten Stromerzeugung.
Daher unsere zweite Forderung:
2. Das EEG sollte in den nächsten Jahren auslaufen. Stattdessen muss auf den europaweiten Emissionshandel gesetzt werden.
Denn dann setzt sich am Markt die günstigste Lösung zur CO2-Einsparung durch und nicht die Lösung, für die sich in Berlin die meisten (Windkraft-)Lobbyisten einsetzen.
Wenn dies nicht passiert oder man die Windkraft nicht wenigstens auf andere Weise deckelt, wird das EEG in den nächsten 5 bis 10 Jahren in eine Sackgasse führen. Deutschlandweit würden jährlich mehrere Milliarden an Schadensersatz für abgeregelte Windräder fließen, die nichts produzieren. Allein für Brandenburg rechnen wir in diesem Fall für abgeregelte Windräder ab 2030 mit 150 bis 500 Millionen Euro Schadensersatzzahlungen pro Jahr. Diese Geldverschwendung muss auf jeden Fall verhindert werden!
Robert Soyka
Referent für Energieversorgung
BVB / FREIE WÄHLER Gruppe im Landtag Brandenburg
Für Rückfragen: 0170 9636994
Presseecho:
dpa-Artikel, erschienen unter
BVB / Freie Wähler fordern Ausbaustopp für Windkraft – Lausitzer Rundschau 03.05.2016
Freie Wähler: Ausbau der Windkraft stoppen – Neues Deutschland 03.05.2016
BVB / Freie Wähler fordern Ausbaustopp für Windkraft – Die Welt 03.05.2016