BVB / FREIE WÄHLER fordert als Schlussfolgerung aus einer Studie zur Bestandsentwicklung beim Rotmilan ein Umdenken bei der Planung und Genehmigung von Windeignungsgebieten. Die bisherige Praxis, nur einzelne, bestehende Horste von Greifvögeln zu betrachten, ist offensichtlich unzureichend. Zukünftig muss auch die großräumige Wirkung einer flächendeckend zu hohen Dichte an Windkraftanlagen auf die Bestände bedrohter Greifvögel berücksichtigt werden.
Hierzu ist der undifferenzierten, ökologisch nicht haltbaren, oberflächlichen Betrachtung entgegenzutreten.
Auf den ersten Blick gibt der am 18.12.2019 veröffentlichte Vogelschutzbericht 2019 Entwarnung für viele Greifvogel-Arten. Ihnen wird ein in Summe etwa stabiler Bestand zugeschrieben. Was der Vogelschutzbericht jedoch nicht zeigt, ist die Bestandsentwicklung in den einzelnen Regionen.
Eine äußerst aufschlussreiche Studie zur regionalen Bestandsentwicklung beim Rotmilan wurde kürzlich im Fachmagazin „Der Falke“ veröffentlicht. Aus den darin ermittelten Daten wird klar, dass der Bestand an Rotmilanen zwischen 2005 und 2014 nur durch Zuwachs in Gebieten mit geringer Windkraftdichte stabil blieb. Umgekehrt wurde in Gebieten mit hohen Windkraftdichten ein rückläufiger Bestand festgestellt. Statistisch ist laut der Studie ab einer Dichte von 0,1 Windkraftanlagen pro km² mit einer Abnahme der Bestände zu rechnen.
Dieses Ergebnis ist in vielen Regionen Norddeutschlands und insbesondere Brandenburg Anlass zur Sorge. Denn bereits Ende 2018 liefen in Brandenburg 3.810 Windkraftanlagen. Was landesweit bereits einer Dichte von 0,13 Windkraftanlagen pro km² entspricht. Demzufolge ist in Brandenburg mit einer Abnahme der Bestände zu rechnen.
Die räumliche Verteilung von Bestandszuwachs und Bestandsschrumpfung in Brandenburg stützt diese Schlussfolgerung. So gibt es fast flächendeckend eine Schrumpfung der Bestände. Nur in zwei größeren, zusammenhängenden Gebieten ist eine deutliche Bestandszunahme zu registrieren.
Das erste Gebiet ist ein breiter Streifen von Bad Belzig bis Baruth/Mark. Dieser ist durch die Landschaftsschutzgebiete „Hoher Fläming – Belziger Landschaftswiesen“ und „Baruther Urstromtal und Luckenwalder Heide“ sowie den Naturpark „Nuthe-Nieplitz“ weitgehend vor der Bebauung mit Windkraftanlagen geschützt.
Das zweite Gebiet ist der Oderbruch. Ein Gebiet, dass durch den Windschatten der Seelower Höhen und der Märkischen Schweiz sowie das Landschaftsschutzgebiet „Odervorland Groß Neuendorf – Lebus“ bisher ebenfalls kaum mit Windkraftanlagen bebaut ist. Zudem bietet er für Rotmilane einen guten Zugang zu den windkraftfreien Gebieten jenseits der Oder.
Auch in anderen Regionen Deutschland decken sich die Gebiete mit Populationszuwachs stets mit Gebieten mit geringer Dichte an Windkraftanlagen. Sei es der östliche Rhein-Sieg-Kreis in NRW samt Siebengebirge, der Schwäbisch-Fränkische Wald oder das Gebiet zwischen Bodensee und Schwarzwald.
Umgekehrt sind die Gebiete mit der größten Abnahme der Rotmilan-Bestände fast immer Gebiete mit großer Windkraftdichte. Seien es die Gebiete um Anklam (östliches MVP) oder Wismar (westliches MVP), die Magdeburger Börde (nördliches Sachsen-Anhalt), die Leipziger Tieflandbucht (südliches Sachsen-Anhalt), das östliche NRW oder der südliche Vogelsbergkreis in Hessen.
Der einzige Grund, warum die Wirkung der zahlreichen Windkraftanlagen an der Nordseeküste nicht in den Karten hervorsticht, dürfte der sein, dass Rotmilane in dieser Region von Natur aus kaum vorkommen, sodass auch keine weitere Bestandsabnahme mehr möglich ist.
Links zu Quellen:
Karte der Windkraftdichte im Jahr 2015: EEG-Anlagenstammdaten Windenergie zum 31.07.2015; TU Dresden, veröffentlicht auf der Seite des Bundesamtes für Naturschutz