2. Wasserkonferenz in Lübben: Maßnahmen bei fortgesetzter Untätigkeit der Landesregierung angekündigt
Rechtsanwalt Frank Mittag hatte die Klage vor dem Bundesverfassungsericht geführt
Thomas Kaiser hatte als Vorsitzender des landesweiten Dachverbands von Altanschließerinitiativen „Das Wassernetz Brandenburg“ zur zweiten Wasserkonferenz eingeladen. Anlass war der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, der die Verjährungsfristen des KAG in Brandenburg für verfassungswidrig erklärt hat.
Rund 200 Gäste aus 6 Bundesländern waren gekommen, darunter auch unsere Landtagsabgeordneten Iris Schülzke und Christoph Schulze sowie der Landtagsabgeordnete Benjamin Raschke (Grüne). Auch das Innenministerium und andere Parteien waren eingeladen – von diesen Hauptverantwortlichen für die Misere ließ sich aber niemand blicken.
Rechtsanwalt Frank Mittag schilderte die Entwicklung des KAG, die Punkte, an denen Fehler gemacht wurden und all die Warnsignale und Urteile, die in den letzten Jahren ignoriert wurden. Zudem kündigte er an, angesichts der Untätigkeit der Landesregierung und der Gleichgültigkeit des Landesverfassungsgerichts („Karlsruhe ist Karlsruhe und Potsdam ist Potsdam“) Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen.
Er forderte die Rückzahlung bestandskräftiger Bescheide. Denn diese sind eine Form der Täuschung – der Bürger musste von einem rechtskräftigen Gesetz ausgehen. Man müsse jetzt auch verhindern, dass das Oberverwaltungsgericht Rechtsbeugung begeht.
Christoph Schulze kündigte für den Fall weiterer Tatenlosigkeit der Landesregierung Konsequenzen an. So werden wir in diesem Fall gemeinsam mit den Bürgerinitiativen ein eigenes KAG erstellen und dieses anschließend per Volksentscheid durchsetzen. Wenn alle Bürgerinitiativen mitziehen, sollte dies organisatorisch machbar sein.
Iris Schülzke wies auf die realitätsfernen Regelungen hin. So sind die Abwasserzweckverbände gezwungen, eine Kapazität von 150 Liter pro Kopf und Tag vorzuhalten, zudem 30 % Reserve, was sich auf 195 Liter am Tag pro Kopf summiert. Real liegt der Verbrauch im Schnitt bei gerade einmal 105 Litern am Tag.
Am Ende der Konferenz wurde eine Abschlusserklärung zur Wasserkonferenz der Bürgerinitiativen verfasst, in der in 10 Punkten die zentralen Forderungen der Bürgerinitiativen zusammengefasst sind. Wir haben diese am Ende dieses Artikels zusammengefasst.
Bild: Rot markiert sind die 2012 von verfassungswidrigen Anschlussbeiträgen betroffenen Gebiete in Brandenburg, Karte zur Verfügung gestellt vom VDGN. Einige Abwasserzweckverbände, wie beispielsweise in Rheinsberg und Lübben, haben die Anschlussbeiträge zwischenzeitlich abgeschafft.
Johannes Madeja schildert seinen Eindruck der Konferenz:
„Der Kaiser rief und alle, alle kamen. Der da gerufen hat war und ist nicht der Kaiser – den gibt es ja nicht mehr! Der Mann heißt nur so – Thomas, kurz „Tom“ Kaiser. Im Saal war ein großes Gewimmel von 200 Bürgerinnen und Bürgern überwiegend vorgeschrittenen Lebensalters aus Brandenburg. Vielleicht waren es ja auch nur 180 – darauf kommt es nicht an.
Alle waren gekommen, freiwillig, auf eigene Kosten, aber nicht nur Brandenburger. Auch Sachsen, Thüringer, Mecklenburger und Anhaltiner waren da. Sie waren Abgesandte der Bürgerinitiativen in ihren Ländern und ihren Regionen – alle mit sehr ähnlichen Namen: Wasser-Netz, Netzwerk Kommunalabgaben, Initiative für gerechte Abwasserbeiträge, für gerechte Gebühren und für die Abschaffung von Beiträgen, Aktionsbündnis für nachhaltigen, sparsamen Umgang mit Wasser, für Wasser in Bürgerhand und, und, und …
Viele waren lange vor Veranstaltungsbeginn – leider erst für 15.00 Uhr angesetzt – gekommen und es gab ganz persönliche Gespräche. Es gab ein Kennenlernen, ein Wiedersehen nach langer Zeit, einen Austausch von Schriften und Ideen sowie Erfahrungen – alles ganz ganz wichtig. Dafür müssen wir das nächste Mal, das es sicher geben wird, mehr Zeit einplanen!
Die Organisatoren, die Akteure und Aktivisten – ich darf sie so nennen – haben großen Dank verdient und dafür den gebührenden Beifall erhalten. Sie haben das Recht und die Pflicht, uns, dem durchaus auch aktiven Auditorium, zu berichten. Wir wollten ja etwas erfahren, wir wollten etwas lernen und etwas mitnehmen nach Hause. Das alles haben Tom Kaiser, Sprecher, Frank Mittag, Anwalt, und die Landtagsabgeordneten Iris Schülzke und Christoph Schulze getan und damit ihre Aufgabe gelöst.
Von den aktiven Teilnehmern an der Diskussion erwarten wir immer, dass sie möglichst schnell „auf den Punkt“ kommen. Nicht jedem ist das gegeben, wir sind ja alle keine „Profis“. Angesichts der doch sehr knappen Zeit hätten wir uns wohl an einigen Stellen einen etwas konzentrierteren und strukturierteren Vortrag gewünscht. Trotzdem Dank an alle, auch an Herrn Bolduan aus Schulzendorf, Frau Groger aus Briesensee, Frau Niclas aus Sonnewalde, Herrn Heyn aus Thüringen, die Vertreter vom Eigenheimerverband, von Haus & Grund und viele, die hier nicht alle genannt werden können. Vielleicht gibt es ja ein „offizielles“ Protokoll!?
Wir haben allen aufmerksam und aufnahmebereit, aber auch kritisch zugehört und mit Beifall nicht gespart. Jeder hat etwas mitgenommen, jedenfalls einen Namen, eine Tel-Nr., eine E-Mail- Adresse, einen Händedruck, ein Schulterklopfen! „Lubolz“ wird nachwirken!
Es gab eine breite Übereinstimmung – heute nennt man das Konsens – in der Zustimmung zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Dieser Beschluss hat Gesetzeskraft! Er ist um- und durchzusetzen und muss Bestandteil der Kommunalabgabengesetze aller Bundesländer werden, ich wiederhole: aller! Dieser Beschluss gilt deutschlandweit, und jede Landesregierung, die das anders sieht, ist auf dem Holzweg!
Wer Beiträge, egal wofür, haben will (dass Beiträge im Einzelfall notwendig sind hat niemand je bestritten), der muss dafür sorgen, dass die Beitragspflicht überhaupt entstehen kann. Dazu braucht man eine Satzung. Wenn es innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist entsprechender Abgabenordnung nach Fertigstellung einer Maßnahme keine Satzung
gibt, dann kann die Beitragspflicht nicht entstehen, und ein Beitrag kann nicht mehr erhoben werden wegen Festsetzungsverjährung – so einfach ist das! Alle Tricks, doch noch – rückwirkend – Geld eintreiben zu wollen, egal wie das dann genannt wird, sind grundgesetzwidrig, nicht zuletzt weil jeder Bürger Anrecht auf Vertrauensschutz hat.
Die Landesregierung und der Landtag Brandenburg haben versucht zu tricksen, das ist zehn Jahre „gut“ gegangen, jetzt ist es vorbei! Widerrechtlich geforderte und beigetriebene Beiträge müssen zurückgezahlt werden. Es ist nicht nur unmoralisch, sondern gesetzwidrig, das zu verweigern! Übrigens – andere Landesregierungen und Ministerpräsidenten sind nicht besser! Alle müssen sich, das gebietet der Anstand, bei den Bürgern entschuldigen! Diese Entschuldigung verweigern sie, aber es kommt noch dicker! Der Brandenburger Innenminister will den Bürgern nicht einmal auf Fragen antworten; sie seien für ihn keine Gesprächspartner! Nicht anders verhalten sich die sogenannten Richter, die zehn Jahre lang Schandurteile gefällt haben und schon wieder versuchen zu „interpretieren“ (so nennen sie ihre Betrugsversuche!) Das ist ein Skandal! Bedauerlich, dass sie das Hohngelächter und die Buh-Rufe im Saal nicht hören konnten! Aber wir werden uns Gehör verschaffen!
Sie verdienen die Höchststrafe (Mittag): aus dem Amt gejagt unter Wegfall aller Pensionsansprüche!
Das war das Signal aus Lubolz, mögen es „unsere“ Landtagsabgeordneten mitnehmen in den Landtag und dort sichtbar aufrichten!“
Johannes Madeja, BVB/FREIE WÄHLER
Dachverband „Das Wassernetz Brandenburg“
Abschlusserklärung zur Wasserkonferenz der Bürgerinitiativen:
„Mehr als zehn Jahre lang wurden hunderttausendfach Brandenburger Grundstückseigentümer durch verfassungswidrige Abgabenforderungen in ihren Grundrechten verletzt. Die Rechtsverletzungen waren bekannt, und die Verantwortung dafür trägt die Landesregierung. Sie hat unter Missachtung bundesverfassungsgerichtlicher Hinweise verfassungswidriges Verwaltungshandeln geduldet und sogar durch ihre Kommunalaufsichten aktiv befördern lassen.
Am 30.01.2016 haben sich in Lübben Vertreter von 23 Bürgerinitiativen aus dem Land Brandenburg getroffen und auf der Grundlage des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 12.11.2015 gegen die rückwirkende Festsetzung von Kanalanschlussbeiträgen auf folgende Erklärung geeinigt:
„Wir verurteilen die Hinhaltetaktik der Brandenburger Landesregierung in Bezug auf:
• die Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die Verletzung des Grundgesetzes,
• die Folgen der Ungleichbehandlung bestandskräftiger und nicht bestandskräftiger rechtswidriger Bescheide,
• die Nichtaussetzung der Vollziehung von ungerechtfertigten Beitragsforderungen, die noch offen sind,
• die Schaffung von Klarheit für die Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung.
Nunmehr steht unmissverständlich und nicht unterschiedlich interpretierbar fest, dass die klaren Aussagen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 2961/14 und 1 BvR 3051/14) direkt umgesetzt werden müssen. Das regelt § 31 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, der die Anwendung und Bindungswirkung eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts für alle Gerichte und Behörden – auch für die Landesregierung und ihre Institutionen – vorschreibt.
Ein längeres Zögern führt nur zu weiteren Unsicherheiten, Fehlentscheidungen und zu Unfrieden im Land.
Daraus ergeben sich für uns folgende Forderungen an die Landesregierung und Landespolitik:
- Sofortige Aussetzung der Vollziehung der unrechtmäßig erlassenen Beitragsforderungen für die von diesem Beschluss Betroffenen durch die Verbände und Gemeinden. Dies hat die obere Kommunalaufsicht den ihnen unterstellten Aufsichtsbehörden anzuweisen.
- Aufhebung der verfassungswidrigen Bescheide, einhergehend mit der unverzüglichen Erstattung der verfassungswidrig abverlangten Beiträge, auch von bestandskräftigen Bescheiden, um eine umfassende Beitragsgerechtigkeit herzustellen.
- Sofortiger Stopp weiterer Beitragsbescheidungen bis zur Novellierung des KAG, um zukünftige Rechtsstreitigkeiten weitgehend auszuschließen.
- Schaffung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK), um die Hintergründe des Entstehens der grundgesetzwidrigen Bescheidungen zu klären, materielle Verantwortlichkeiten zu prüfen und gegebenenfalls personelle Konsequenzen einzuleiten – unter Hinzuziehung der Bürgerinitiativen, deren Anwälten und externer unabhängiger Experten.
- Novellierung des Kommunalabgabengesetzes unter der Beachtung folgender Eckpunkte:
5.1 Streichung des Wortes „rechtswirksam“ in § 8 Absatz 7 Satz 2 KAG, so dass dieser dem Art. 20 Absatz 3 Grundgesetz und so dem Sinn des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts entspricht
5.2 Eine klare Regelung zur Festsetzungsverjährung, die auf § 169 der Abgabenordnung Bezug nimmt und dem Gebot der Belastungsklarheit und Vorhersehbarkeit gerecht wird, so dass keine unbegrenzte Festsetzung von Beiträgen möglich ist – ohne die Notwendigkeit einer weiteren zeitlichen Obergrenze wie derzeit im § 19 KAG
5.3 Einführung eines rechtlich gesicherten Anspruchs der Bürger auf Musterverfahren
5.4 Einführung einer zwingenden Bürgerbeteiligung – in Anlehnung an § 6 d des KAG des Landes Sachsen-Anhalt. Dazu gehört Gewährung der Akteneinsicht in Kalkulationen, Beschlüsse und deren Begründungen sowie Versorgungskonzepte, Ausschreibungen, geplante Arbeiten an den Kanalnetzen usw. zur Sicherung der Informationsfreiheit entsprechend Artikel 5 des Grundgesetzes und des Umweltinformationsgesetzes – bei den Aufgabenträgern bzw. auf deren Webseiten. Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Akteneinsicht Brandenburg sollte die Kompetenz erhalten, bei Verstößen gegen das Umweltinformationsgesetz einzuschreiten.
5.5 Einbeziehung der bürgerschaftlichen Vertreter bei der Novellierung des KAG – mit realem Mitsprache- und Abstimmungsrecht.
- Zukünftige Abschaffung der Möglichkeit einer Beitragspflicht für leitungsgebundene Anlagen – hin zur ausschließlichen Gebührenfinanzierung.
- Aufhebung des ökologisch und wirtschaftlich ungerechtfertigten Anschluss- und Benutzungszwangs für den ländlichen Raum. Relevant müssen hierbei künftig vor allem die Siedlungsstruktur und die Einwohneranzahl einer Ansiedlung sein und nicht die Einwohnerzahl einer politischen Gemeinde.
- Umfassende und differenzierte Betrachtung der Wirtschaftlichkeit der Aufgabenträger. Eine „Unterstützung“ auf Dauer ist mit dem Kostendeckungsprinzip ausgeschlossen. Priorität hat das Sparsamkeitsprinzip, um ungerechtfertigte und überhöhte Gebühren auszuschließen.
- Novellierung des Gesetzes zur Kommunalen Gemeinschaftsarbeit bei Beachtung folgender Eckpunkte:
9.1 Überarbeitung der Stimmanteile in den Verbandsversammlungen, damit kleinere Mitgliedsgemeinden ein reales Mitsprache- und Abstimmungsrecht haben.
9.2 Überarbeitung der Besetzung der Verbandsversammlungen bei Berücksichtigung der Möglichkeit der Benennung sachkundiger Einwohner für den Verbandsausschuss.
- Für die notwendigen Gebührenneukalkulationen erwarten wir – vor der Beschlu
ssfassung der Verbandsversammlungen – ehrliche und transparente Vorlagen, damit die nicht mehr festsetzbaren Beiträge nicht verfassungswidrig auf die Gebühren umgelegt werden.
Dazu muss auch zählen, dass die Kosten der verfassungswidrigen Beitragserhebung sowie die Kosten der Bescheidaufhebung – z. B. eventuelle Kreditkosten und die Kosten der Umstellungen sowie Anwalts- und Gerichtskosten – nicht in die Gebühren einfließen. - Der Beschluss aus Karlsruhe schafft die Voraussetzung für einen rechtssicheren, nachhaltigen Neustart für kommunale Abgaben im Land Brandenburg. Dies kann jedoch nur gelingen, sofern das Vertrauen der Bürger in ein unabhängiges Landesverfassungsgericht wiederhergestellt wird, das die Rechtsprechung aus Karlsruhe respektiert und mit Richtern besetzt ist, die weder Zweckverbände schulen, noch anwaltlich beraten.
Geben Sie der demokratischen Mitbestimmung eine Chance. Gemeinsam können wir die Situation meistern und das Vertrauen in die Politik, Landesregierung und Justiz wiederherstellen.
Dazu bieten wie unsere Mitarbeit an.
Lübben, den 30.01.2016″
Presseecho:
Altanschließer : Kampfeslustig und Entschlossen – SVZ 31.01.2016