Fragen zur Abwasserpolitik mit Desinteresse beantwortet – Landesregierung betrachtet sich nicht als zuständig
Demonstration in Bernau vor dem Tagungsort des Wasserkongresses 2014
Johannes Madeja – Mitglied BVB / FREIE WÄHLER und Experte für Abwasserrecht – nahm im Dezember 2014 an der Jahrestagung „Abwasserbilanz 2014“ von INFRANEU teil, dem „Hauptverband für den Ausbau der Infrastrukturen und Nachhaltigkeit“. Im Rahmen dieser Veranstaltung stellte er eine Reihe diesbezüglicher Fragen an die Landesregierung. Denn diese ist aufgrund ihrer Politik und Gesetzgebung für viele der Probleme im Land mit verantwortlich.
Madeja: „Ich halte es für wichtig, die Wasser- und Abwasserpolitik der Landesregierung permanent kritisch zu hinterfragen und im Landtag öffentlichkeitswirksam zu thematisieren. Es kommt darauf an, die derzeitig allerorts sichtbaren Bestrebungen, an der Gebührenschraube zu drehen, insbesondere die Grundgebühren anzuheben, ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Auch die verfehlte Politik der weiteren flächendeckenden Kanalerschließung kleiner und kleinster Siedlungen darf nicht hingenommen werden.“
Erst im Februar erhielt er eine Antwort auf seine Fragen. Wir sind von den Antworten enttäuscht, da sich die Landesregierung größtenteils desinteressiert bis ahnungslos gibt. Laut der Antwort ist Abwasser für die Landesregierung verfassungsgemäß alleinige Sache der Gemeinden. „Somit ist eine Einflussnahme des Landes weder geboten noch rechtlich zulässig.“
Eine erstaunliche Aussage, bedenkt man die zahllosen Einmischungen der Landesregierung in Entscheidungen der Gemeinden hinsichtlich der Wasser und Abwasser. Sei es die viel kritisierte grundlegende Landesgesetzgebung, die die grotesken Regelungen zu Altanschließern erst ermöglichte, seien es verhinderte Abstimmungen über Gebührenmodell und Altanschließerbeiträge oder die selektive Förderpolitik des Landes, die den Gemeinden bestimmte Entscheidungen in Sachen Abwasser oft geradezu aufzwingt.
Die Gemeinden haben kaum Einfluss auf die Landesgesetzgebung oder die Förderrichtlinien des Landes. Daher sind wir der Meinung, dass die Landesregierung für die Probleme im Bereich Abwasser mitverantwortlich ist. Daher hat sie sich auch an der Lösung der Probleme zu beteiligen. „Wegschauen und sich für nicht zuständig erklären“ trägt jedoch nicht im Geringsten dazu bei.
Herr Madejas Fragen und die Zusammenfassung der Antworten der Regierung in der Übersicht:
1. Wie hat sich der anhaltende Bevölkerungsrückgang in den dünn besiedelten Landkreisen wie etwa Prignitz und Uckermark auf den Bedarf an Trinkwasser und den Anfall von Schmutzwasser ausgewirkt und wie hat die Landesregierung darauf reagiert – etwa durch den Rückbau nicht mehr wirtschaftlich zu betreibender zentraler Einrichtungen wie Kanalnetze und Großklärwerke?
Zusammengefasste Antwort von MLUL: Die Landesregierung lässt mitteilen, dass sie keine Übersicht über die Entwicklung des Wasserverbrauchs im kleinräumigen Maßstab hat. Für Rückbauten und sieht sie sich nicht zuständig, dies sollten die Gemeinden selbst klären.
Man verweist in einem Link auf eine Verwaltungsvorschrift. Die Daten an dieser Adresse existieren jedoch nicht oder nicht mehr. Der Link leitet nur noch auf die Suchfunktion weiter, unter dem gegeben Stichworten keine passenden Ergebnisse erzielt werden können.
2. Welches Konzept hat die Landesregierung, die Schadstofffrachten, mit denen die Großklärwerke unsere Fließgewässer und schließlich Nord- und Ostsee belasten, wirksam zu reduzieren?
Zusammengefasste Antwort MLUL: Es sind keine eigenen Konzepte erforderlich, da es die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) gibt.
Unser Kommentar: Es verwundert angesichts dieser Antwort und der Gleichgültigkeit bei Verstößen gegen das Umweltrecht nicht, dass die Hälfte der Oberflächengewässer in Brandenburg mit Nitrat verseucht sind.
3. Wie hoch war im Jahr 2014 die Menge an gereinigtem Schmutzwasser, die wieder zur Bewässerung oder anderweitig sinnvoll eingesetzt wurde?
Wörtliche Antwort MLUL: „Im Land Brandenburg werden nach Kenntnis des MLUL im Rahmen von Forschungsvorhaben und Pilotprojekten die Chancen und Risiken einer etwaigen Nutzung von gereinigtem Abwasser zu Bewässerungszwecken untersucht. Exakte Angaben zu den hierbei verwendeten Mengen liegen dem MLUL nicht vor.“
4. Gibt es konkrete Konzepte, die Wiederverwendung und Kreislaufführung von Wasser schrittweise durchzusetzen und den Irrweg der Beseitigung durch Ableitung zu verlassen?
Zusammengefasste Antwort MLUL: Sie sieht die ungenutzte Ableitung des gereinigten Wassers nicht als Irrweg an. Brandenburg sei kein Wassermangelgebiet, folglich „bestehe aus wasserwirtschaftlicher Sicht keine Notwendigkeit, die Wiederverwendung von Abwasser zu forcieren“.
Unser Kommentar hierzu: Noch vor wenigen Jahren war aus dem in großen Teilen vom Land Brandenburg finanzierten „Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung“ (PIK) von bevorstehender extremer Wasserknappheit im Sommer, mehr Dürre, mehr Waldbränden, zunehmender Versteppung und sogar Wüstenbildung in Brandenburg die Rede. Wir haben damals nach ausgiebiger Untersuchung der langfristigen Wetterdaten Brandenburgs die angebliche Versteppung und Wüstenbildung als Übertreibungen kritisiert. Dennoch ist und bleibt Brandenburg aufgrund der geringen Niederschläge und der weit verbreiteten Sandböden eine der am stärksten von Dürren bedrohten Regionen Deutschlands.
Die Landesregierung listet auf ihrer eigenen Website Trockenheit als Naturgefahr in Brandenburg auf: „Jedoch bringen extreme Hitze und Trockenperioden, die in Zukunft als Wetterextreme auch in Brandenburg weiterhin zunehmen sollen, Gefahren für Mensch und Tier mit sich. Aber auch die Landwirtschaft und Natur hat unter großen Hitzewellen zu leiden. Die bestellten Felder der Landwirte mangelt [sic!] es an Wasser, Flüsse trocknen aus und die Brandgefahr in den brandenburgischen Wäldern steigt.“
Dennoch erklärt uns die Landesregierung in ihrer Antwort, es sei in Brandenburg kein Wassermangel in Aussicht und es bestehe kein Bedarf, ohnehin anfallendes gereinigtes Wasser zur Bewässerung zu verwenden. Wir werden sie bei der nächsten Dürre an diese Antwort erinnern.
5. Wie viele Aufgabenträger, insbesondere Zweckverbände sind so hoch verschuldet, daß sie ihre Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigerbanken nicht aus eigener Kraft erfüllen können?
Wörtliche Antwort MLUL: „Der Landesregierung sind keine Aufgabenträger (Gemeinden und Zweckverbände) bekannt, die nicht in der Lage sind, ihre Verbindlichkeiten zu tilgen.“
6. Wie hoch war im Jahr 2014 die Summe, die den sogenannten „notleidenden“ Zweckverbänden von der Landesregierung zur Verfügung gestellt wurde, um Verbindlichkeiten zu begleichen?
Wörtliche Antwort MLUL: „Derartige Zuweisungen („Begleichung von Verbindlichkeiten“) wurden 2014 daher auch nicht bewilligt.“
7. Auf welche Summe beläuft sich die Gesamtverschuldung aller Aufgabenträger und welche Summe muß jährlich an die Gläubigerbanken gezahlt werden?
Zusammengefasste Antwort MLUL: Verweis auf Kleine Anfrage 3718 (einzusehen hier)
8. Welches Konzept hat die Landesregierung, die Schulden zeitnah abzubauen?
Zusammengefasste Antwort von MLUL: Es existiert kein entsprechendes Konzept. Die Gemeinden sind allein verantwortlich.
Unser Kommentar: Die Landesregierung hat durch ihre Gesetzgebung den Abwasserzweckverbänden die Möglichkeit gegeben, durch rückwirkende Beiträge (Altanschließerbeiträge) ihre Schulden auf Teile der Bevölkerung abzuwälzen. Dies ist die das Konzept der Landesregierung für die Schuldenfrage.
9. Wie begründet die Landesregierung die Tatsache, daß nach wie vor kleine und kleinste Ortschaften mit Abwasserkanälen an weit entfernte Großklärwerke angeschlossen werden obwohl allen klar ist, daß so lange Überleitungen nicht wirtschaftlich betrieben werden können?
Zusammengefasste Antwort MLUL: Es obliegt allein den Gemeinden, ob Fernleitungen eingerichtet werden. Das Land muss diese Entscheidungen nicht begründen.
Für den Anschluss von Gemeinden mit weniger als 2.000 Einwohnern werden jedoch inzwischen keine Fördermittel mehr ausgereicht. Hiermit würde etwaigen entgegengewirkt.
Unser Kommentar: Die Beseitigung dieser Fehlsteuerung seitens der Landesregierung ist zu begrüßen, kommt aber zu spät. Kredite für unzählige Kilometer überflüssiger Abwasserkanäle und deren Unterhalt lasten bereits auf den Bürgern.
10. Welchen Einfluß übt die Landesregierung auf die Aufgabenträger aus um zu erreichen, daß nur noch wirtschaftlich tragfähige und ökologisch vernünftige Lösungen auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft realisiert werden können?
Zusammengefasste Antwort MLUL: Die Entscheidungen obliegen laut Grundgesetz allein den Gemeinden, ebenso sind sie allein für ihre Entscheidungen verantwortlich.