BER: Technikchef Marks gefeuert, Geschäftsführer Mühlenfeld droht Entlassung, während neue Flugrouten Lärmteppich auf Tausende weitere Haushalte ausdehnen
Das Chaos am BER wird immer offensichtlicher. Die Eröffnung 2017 wurde gestrichen – angeblich wegen „neuer Probleme“ mit Türen, was jedoch vermutlich seit 2012 bekannt war und einfach nicht angegangen wurde. Die Schuld schob Flughafenchef Mühlenfeld dann auf rabiate Bauarbeiter, die die Türen wieder kaputt gemacht hätten. Christoph Schulze wird hierzu demnächst eine Kleine Anfrage einreichen.
Doch Ende Februar wurde es noch wirrer: Mühlenfeld feuerte kurzerhand und scheinbar eigenmächtig den BER-Technikchef Marks. Darüber zeigten sich vor allem die Landesregierungen in Berlin und der Bund gar nicht begeistert. Sie brachten die Entlassung von Mühlenfeld in die Debatte, während Brandenburgs Regierung wie Opposition eher an Mühlenfeld festhalten will. So drohte das Projekt, bei dem noch vor Wochen die Eröffnung in diesem Jahr in Aussicht gestellt wurde, plötzlich komplett kopflos zu werden. In seiner Not holte der Aufsichtsrat Marks zurück. Doch die Entlassung von Mühlenfeld ist immer noch wahrscheinlich – samt weiteren daraus folgenden Verzögerungen und Kostensteigerungen.
Allein die nun anstehenden Abfindungen dürften in die Hunderttausende Euro gehen. Christoph Schulze hat hierzu bereits eine Kleine Anfrage in Vorbereitung. Eine weitere Kleine Anfrage soll klären, welche Mehrkosten durch die erneute Verschiebung des Eröffnungstermins auf die Bürger zukommen. Wobei leider zu erwarten ist, dass die Landesregierung hierauf keine Antwort geben kann, weil sie angesichts des aktuellen Chaos selbst nicht weiß, wann das Projekt nun endgültig fertiggestellt sein wird. Falls es denn überhaupt jemals fertig wird.
Währenddessen traf die Anwohner des BER die nächste Hiobs-Botschaft. Die Flugrouten werden erneut geändert. Tausende Haushalte, die sich bisher in Sicherheit wägten, liegen nun ebenfalls unter den Flugrouten. Besonders betroffen ist der Norden von Blankenfelde-Mahlow. Während vom versprochenen Schallschutz selbst in den bisher betroffenen Gebieten nur ein winziger Bruchteil (0,9 %) real umgesetzt ist, kommen nun Tausende neue Häuser hinzu. Wieviele Bürger betroffen sind, wo genau und was das kosten wird, fragt Christoph Schulze mit einer neuen Kleinen Anfrage.
In unserer Pressekonferenz äußerte sich hierzu Peter Schulz, Vorsitzender des Verbands der Eigenheimbesitzer Brandenburg. Er stellte fest, dass die „neuen“ Routen nicht wirklich überraschend sind. Sie wurden schon beim massiven Flugverkehr zur Fußball-WM 2012 genutzt, wie man an den damaligen Flugbewegungen sehen kann. Vermutlich lagen die Planungen also schon länger in den Schubladen.
Zudem verwies er darauf, dass viele Annahmen bezüglich Fluglärm überholt sind. So wurden durch Untersuchungen von Prof. Thomas Müntzel in Hessen inzwischen anhand der Adrenalinausschüttung festgestellt, dass Fluglärm während des Schlafs physischen Stress verursacht. Auch hieraus resultierende Gefäß- und Zellschäden konnten nachgewiesen werden, ebenso die zu erwartende Minderung der Schlafqualität. Eine weitere Erkenntnis der Untersuchung: Die bisher angenommene Gewöhnung konnte bei den Versuchen nicht festgestellt werden. Die Testpersonen reagierten stattdessen immer empfindlicher auf die Störungen des Schlafs. Schulz meinte, dass Müntzel für seine Arbeit eigentlich einen Nobelpreis in Medizin verdient hätte.
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Zum Fall Mühlenfeld meinte er, dass es ihm so scheint, als sei der Flughafenchef seiner Arbeit überdrüssig. Als Geschäftsführer müsste er wissen, dass solch eigenmächtige Entscheidungen den Kopf kosten können. Möglicherweise sind Entlassung und Abfindung sein eigentliches Ziel.
Der Landtagsabgeordnete Péter Vida (BVB / FREIE WÄHLER) bekräftigte noch einmal unsere Forderung: Kein weiteres Geld, keine weiteren Kredite und auch keine weiteren Bürgschaften des Landes für den Chaos-Flughafen. Diese Forderung wiederholte er auch bei der Aktuellen Stunde des Landtags zum Thema BER am 01.03.2017. Hier sprach er auch noch einmal an, dass bei dauerndem Personalwechsel das Problem nicht mehr beim Personal zu suchen ist, sondern bei denjenigen, die das Personal einstellen und kontrollieren – also bei der Gesellschafterversammlung und im Aufsichtsrat. Demzufolge müsse der bereits mehrfach gestellte Antrag von Christoph Schulze (BVB / FREIE WÄHLER) auf Haftungsprüfung der Aufsichtsrat-Mitglieder endlich angenommen werden.
Staatssekretär und Flughafenkoordinator Rainer Bretschneider (SPD) bezeichnete die Aussagen als „Fake-News“. Er bestritt, dass es ein Milliardenbetrag wäre, den das Land im Projekt versenkt. Vermutlich nutzt er dafür die „optimistische“, aber unrealistische Einschätzung der Landesregierung, dass alle Kredite zurückgezahlt werden und die Bürgschaften des Landes niemals fällig werden. Denn allein an Bürgschaften steht Brandenburg mit 920 Millionen Euro in der Verpflichtung, und knapp 180 Millionen Euro alter Darlehen aus Steuermitteln schenkte das Land bereits der Flughafengesellschaft. Womit man schon allein mit den bisher aufgelaufenen Steuergeschenken und finanziellen Verpflichtungen deutlich im Milliardenbereich liegt. Auch den ständigen Personalwechsel in der Führungsetage stritt Bretschneider ab, obwohl Mühlenfeld nach Schwarz und Mehdorn nun der dritte Geschäftsführer in vier Jahren ist und allem Anschein nach noch in diesem Monat vor die Tür gesetzt wird. Marks wiederum war bereits der fünfte Technikchef am BER.
Halbwertszeit 2 Jahre: Die Führungsspitze beim BER wird langsam unübersichtlich – Grafik: Berliner Morgenpost
Péter Vida (BVB / FREIE WÄHLER) stellte Bretschneider in einer Kurzintervention zur Rede. Der SPD-Staatssekretär weigerte sich jedoch, auf die Fragen zu antworten.
Presseecho:
BER-Chef Mühlenfeld hat zu wenige Freunde – Lausitzer Rundschau 01.03.2017
BER-Chef: Potsdamer Regierungsfraktionen gegen Mühlenfeld-Rauswurf – Berliner
Zeitung 01.03.2017
Wenig Verständnis für das BER-Personalkarussell – Neues Deutschland 02.03.2017
Erst fliegt der Bauleiter, dann der BER-Chef – MAZ 01.03.2017 (nicht online verfügbar)