Politischer Wirbel vor den Kommunalwahlen am 25. Mai: Zum Urnengang in Brandenburg treten auch wieder Landräte und Oberbürgermeister an, obwohl im Falle eines Wahlsiegs nicht sie, sondern Nachrücker aus den eigenen Reihen das Mandat annehmen würden. „Scheinkandidaturen“ sind zwar vom Gesetz gedeckt, moralisch einwandfrei jedoch noch lange nicht.
So streben die Landräte des Havellandes und von Oberhavel, Burkhard Schröder und Karl-Heinz Schröter (beide SPD), aber auch die Oberbürgermeister von Brandenburg/Havel, Dietlind Tiemann (CDU), und Potsdam, Jann Jakobs (SPD), nach Sitzen in Kommunalvertretungen, die sie im Falle eines Wahlsieges indes für Nachrücker aus den eigenen Reihen frei machen.
Solche „Scheinkandidaturen“ hält Jochen Franzke für „eine Frechheit“. Der Professor für Verwaltungswissenschaften an der Universität Potsdam fordert den Landtag auf, das Wahlgesetz an dieser Stelle einzuschränken. Tatsächlich ist die Kandidatur von Landräten und hauptamtlichen Bürgermeistern derzeit möglich, aber sie müssen sich nach der Wahl für Amt oder Mandat entscheiden. Im Grundgesetz sind zudem das passive und aktive Wahlrecht verankert. Da aber kein Hauptamtlicher bereit ist, den Chefsessel zu räumen, dient der Urnengang allein dem Stimmengewinn für die eigene Partei. „Wer mit solch billigen Tricks arbeitet, darf sich nicht wundern, wenn die Politikverdrossenheit zunimmt“, kritisiert Franzke. „Das ist eine Frage der politischen Moral.“
Benjamin Raschke, Landeschef der Grünen, spricht von „Wählertäuschung“, weil dem Bürger oft nicht klar ist, dass der prominente Kandidat nur zum Schein antritt. Aus Sicht von Peter Vida, Vorsitzender der Brandenburger Vereinigten Bürgerbewegungen / Freie Wähler, ist es „respektlos dem Wähler gegenüber“, einem Nachrücker, der gar nicht gekämpft hat, Stimmen zu schenken. Da das Wahlalter in der Mark auf 16 Jahre abgesenkt worden sei, lieferten SPD und CDU überdies ein schlechtes Beispiel für junge Leute, rügt Vida.
SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz kann nichts Verwerfliches daran entdecken, wenn kommunales Spitzenpersonal wieder den Hut in den Ring wirft. „Oberbürgermeister Jakobs nimmt die Wahl als Stimmungstest für seine Politik“, sagt Geywitz. Sicher gehe es auch darum, mit Hilfe des Promi-Bonus’ eine starke SPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung zu sichern. Sascha Krämer, Kreischef der Potsdamer Linken, tritt im Wahlkreis 5 auf Jakobs und stichelt gegen den Kontrahenten: „Will er vielleicht seinen Posten aufgeben?“.
„Es ist nichts Ungesetzliches“, verteidigt Brandenburgs Oberbürgermeisterin Tiemann ihre Kandidatur. Qua Amt sitze sie ohnehin in der Stadtverordnetenversammlung. Überraschend ist, dass CDU-Generalsekretärin Anja Heinrich mit „Scheinkandidaturen“ auf Kriegsfuß steht: „Der Wähler kann das nicht nachvollziehen. Wer sich zur Wahl stellt, muss das Mandat auch annehmen.“
Dieser Artikel erschien bei MAZ-Online am 7. April 2014. Die Quelle des Bildes ist dpa.