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Schallschutz: Potemkinsche Dörfer am BER

16.10.2016 | BER

Abgeordneter Helmut Barthel (SPD) als willfähriger Helfer der FBB: Sonderausschuss BER wird nur Anwohner mit fertiggestelltem Schallschutz besuchen – Die 80 %, die noch auf Schallschutz warten, werden ausgeblendet! 

Wie dreht man ein Anliegen vollkommen ins Gegenteil um? Hier ein Lehrbeispiel aus dem Sonderausschuss BER des Landtages Brandenburg:

Was ist passiert?
Der Landtagsabgeordnete Christoph Schulze hatte angesichts mehrfacher Besuche und Ortstermine mit Besichtigungen des Sonderausschusses BER auf dem Flughafen BER bereits zur Sitzung am 16.02.16 einen Antrag gestellt, doch auch endlich einmal die besonders betroffenen und schallschutzberechtigten Bürger zu besuchen und sich doch einen eigenen plastischen Eindruck von den dort anhängigen und ungelösten Problemen zu holen.

Damals trauten sich nicht einmal die Abgeordneten von SPD und Linkspartei, dieses nachvollziehbare Ansinnen, als zuständiger Sonderausschuss auch endlich mal die Bürger und ihre Probleme ins Blickfeld zu nehmen, abzulehnen. Der damalige Abgeordnete Stefan Ludwig (Linkspartei) hatte ursprünglich den Vorschlag unterbreitet, das Prozedere von Ortsbesuchen bei den Bürgern zwischen den Mitgliedern des Sonderausschusses BER abzustimmen. 

Da trotz Anmahnung entsprechender Aktivitäten nichts passierte, haben wir von BVB / Freie Wähler den Antrag erneut auf die Tagesordnung des Sonderausschusses am 06.06.16 setzen lassen. Auch hier herrschte verhaltener Konsens, dass hier etwas geschehen muss. Eine kurzfristige Abstimmung der Abgeordneten dazu wurde am Rande der Plenarsitzung zwischen dem 08.06.16 und 10.06.16 in Aussicht gestellt. Christoph Schulze sprach dazu den in der Sitzung des Sonderausschusses am 06.06.16 amtierenden Vorsitzenden Matthias Loehr (Linkspartei) am Beginn der Plenarsitzungen am 08.06.16 an und bekam nur überrascht-hinhaltende Rückmeldungen. „Er würde sich kümmern“. Nachdem weiterhin nichts passierte, sandte Christoph Schulze am 09.06.16 noch einmal über sein Büro die schriftliche Bitte umher, sich doch entsprechend der Vereinbarungen vom 06.06.16 nun endlich am Rande der Plenarsitzung zusammenzufinden und die konkrete Abstimmung zur Umsetzung der Besuche bei den Bürgern endlich vorzunehmen.

Daraufhin fand dann wohl eine aus dem Stegreif heraus organisierte Zusammenkunft der Abgeordneten Loehr und Genilke (CDU) sowie einiger Referenten der Fraktionen statt – leider ohne den Antragsteller Christoph Schulze! Dabei wurde eine „Übereinkunft“ gefunden, die den schwerstbetroffenen Bürgern nur einen Bärendienst erwiesen hätte, denn es sollten dezidiert keine Wohnungen mehr besichtigt, sondern stattdessen ein „fachlicher Austausch“ auch noch außerhalb einer regulären Ausschusssitzung stattfinden. Zudem sollten ganze drei Fälle beleuchtet werden, von denen die FBB GmbH auch noch einen selbst vorschlagen können sollte. Zur Krönung sollte auch noch die bauausführende/umsetzende Firma mit dabei sein, was natürlich bedeutete, dass nur unproblematische Fälle vorgestellt werden könnten, weil es bei den Problemfällen ja in der Regel noch nicht zu einer Bauausführung gekommen ist! Kurz: ein unsinniger und geradezu absurder Vorschlag!

Aufgrund dieses Affronts einer totalen Ausgrenzung des Antragstellers und dieser vollkommenen Verkehrung des Anliegens des Antrags von Christoph Schulze in sein Gegenteil (wesentliches Anliegen war es ja gerade, sich ein eigenes Bild von den konkreten Problemen bei den Bürgern in deren Häusern und Wohnungen zu machen), protestierte der Abgeordnete Schulze mit deutlichen Worten:

„Und erst recht ist das eine unerhörte Situation, dass der Antragsteller in diese Beratungen nicht mit einbezogen wird. Ich muss Ihnen mitteilen, dass ich so etwas in meinen mehr als 25 Jahren politischer Arbeit im Landtag Brandenburg noch nie erlebt habe. Und das ist ein derartig unerhörter Vorgang, dass ich den auf alle Fälle nicht so auf sich beruhen lassen werde. Inhaltlich handelt es sich um eine komplette Kehrtwende! Das werden die Beteiligten vor den Bürgerinnen und Bürgern rechtfertigen müssen. Ich finde es jedenfalls unerhört, sich in öffentlichen Ausschusssitzungen betroffen zu äußern und dass man sich doch einigen wolle, und dann genau das Gegenteil von dem zu machen und sich „in die Büsche zu schlagen“!

Herr Loehr versuchte, sich daraufhin formal herauszureden, obwohl es darum ging, dass man sich wissentlich ohne den Antragsteller zusammengesetzt und abgestimmt hatte! Sie denken nun, das sei doch das übliche Hickhack in der Politik!? 

Nein, denn es kommt noch viel schlimmer. Hier geht es um einen Verrat der Anliegen von uns Bürgern – also von Ihnen!

Wir mussten das Thema also wohl oder übel in der Sitzung des Sonderausschusses am 18.07.16 zum dritten Mal auf die Tagesordnung setzen. Hier fielen deutliche Worte, aber die Mehrheit beschloss, dass aus dem „Besuch bei den Bürgern“ eine Anhörung werden sollte. „Die Abgeordneten von SPD, Linkspartei und CDU wollten also nicht mehr zu den Bürgern und ihren Wählern gehen, sondern diese sollen gefälligst zu ihnen kommen!“, so Christoph Schulze dazu.

Immerhin wurde beschlossen, dass auf Referentenebene eine konkrete Abstimmung zur genauen Durchführung der „Anhörung zum Schallschutz“ – wie es jetzt hieß – durchgeführt werden sollte. Dies geschah auch am 26.07.16 unter Beteiligung von zwei Abgeordneten (Christoph Schulze und der Ausschussvorsitzenden Lieske). Die anderen Abgeordneten fehlten. Das mühsam errungene Ergebnis war aus Sicht der schwerstbetroffenen Bürger akzeptabel:

1. Die Sitzung findet in den Räumlichkeiten der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow statt.

2. Dem Sonderausschuss BER werden insgesamt fünf Fälle vorgestellt.

3. Die Einzelfälle sind so auszuwählen, dass nach Möglichkeit alle Betroffenen – der Anspruchsberechtigte (Bürger), das entsprechende Ingenieurbüro und die bauausführende Firma – bereit sind, im Rahmen der Sitzung zu dem Fall Stellung zu nehmen.

4. Der Anspruchsberechtigte kann sich eines Vertreters/Sachbeistands bedienen, wenn er sich nicht in der Lage fühlt, seinen Fall in angemessener Form fachlich vorzustellen.

5. Die Fälle werden von den Bürgerinitiativen (u.a. BVBB) ausgewählt. Sie sollen so ausgewählt werden, dass die Breite der vorhandenen Problemfälle bei der Umsetzung des Schallschutzprogramms abgedeckt ist.

So war dieses Besprechungsergebnis für die Beschlussfassung der Anhörung in der Sitzung des BER-Sonderausschusses am 10. Oktober 2016 auch die bis dahin von allen akzeptierte Basis. Doch kurz vor der Sitzung löste zuerst die CDU diesen mühsam gefundenen Kompromiss wieder auf, indem sie einen eigenen und sehr nachteilhaften Antrag zur Ausgestaltung der Durchführung der Anhörung einbrachte. Den Vogel schoss jedoch der Abgeordnete Helmut Barthel von der SPD ab (ist wohlgemerkt Abgeordneter für das westliche Umfeld des Flughafens BER!), der sich bemüßigt fühlte, zu diesem seit nunmehr 8 Monaten diskutierten und verhandelten Thema eine Tischvorlage zur Sitzung des Ausschusses vorlegen zu müssen, die noch schlimmer ausfiel.

1. Die Sitzung soll im Dialogforum Airport Berlin Brandenburg stattfinden.

2. Der Ausschuss soll sich über die verschiedenen Aspekte und Themenkomplexe des Schallschutzes informieren. Um dieses Ziel zu erreichen, werden insgesamt sechs Fallbeispiele vorgestellt. Drei Beispiele werden durch die Bürgerinitiativen und Bündnisse gegen Fluglärm vorgeschlagen. Drei weitere Beispiele werden durch die FBB vorgeschlagen.

3. Es sind nur Fallbeispiele vorzuschlagen, bei denen gegeben ist, dass neben den jeweiligen Anspruchsberechtigten auch das mit dem Fall betraute Ingenieurbüro an der Anhörung teilnimmt.

4. Die Fallbeispiele werden durch die folgenden Verfahrensbeteiligten vorgestellt:

5. die/der Anspruchsberechtigte (sowie eine Person ihrer/seiner Wahl als Beistand das mit dem Fall betraute Ingenieurbüro).

6. Die FBB GmbH ist anwesend und kann zu jedem Fallbeispiel ebenfalls Stellung nehmen. Gegebenenfalls können auch bauausführende Firmen (soweit vorhanden) zu den Fallbeispielen Stellung nehmen.

7. Die Vorstellung und Diskussion eines Fallbeispiels soll nicht länger als 45 Minuten dauern.

8. Die Ausschussmitglieder sollen vorab schriftlich über die wesentlichen Aspekte/Inhalte aller Fallbeispiele informiert werden. Alle Verfahrensbeteiligten sowie die FBB GmbH haben die Möglichkeit, eine Zuarbeit an das Ausschusssekretariat zu übermitteln. Die Informationssammlung ist 14 Tage vor Sitzungsbeginn an die Ausschussmitglieder zu übermitteln.

9. Für die gesamte Sitzung wird nach § 80a Absatz 1 Satz 1 GOLT aufgrund der betroffenen schutzwürdigen privaten Interessen der Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt.

Dieser Schnellschuss, der letztendlich nur dazu dient, das Thema unter den Teppich zu kehren, wurde dann mal ebenso zum Antrag der Koalitionsmehrheit umdeklariert, woraufhin die Abgeordnete Lieske (SPD) ihren Antrag mit den einvernehmlichen Beratungsergebnissen vom 26.07.16 (siehe oben) blitzartig zurückzog und sich die vermeintlich oppositionelle CDU ganz schnell und willfährig anschloss! 

Glückwunsch zu so viel Einigkeit beim Verrat der Bürger mit ihren Problemen und Anliegen! So verkehrt man ein Anliegen in sein Gegenteil!

Liebe Leser, sprechen Sie Ihren Abgeordneten Barthel (SPD) darauf an, wie er Ihre Anliegen mit und damit Sie mit Füßen tritt und verrät!

Dr. P. Zeschmann
Referent des Abg. Ch. Schulze im BER-Sonderausschuss

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