Gemeinsamer Kampf mit der Bürgerinitiative „Contra Eierfabrik“ gegen Trickserei bei der Genehmigung von Legebatterien im Havelland
In den Oranienburger Ortsteilen Wensickendorf, Zehlendorf und Schmachtenhagen gibt es Planungen, Stallanlagen für insgesamt 84.000 Hühner zu errichten. Das wäre eindeutig Massentierhaltung, und bei diesen Zahlen sind Umweltverträglichkeitsprüfung und Einbindung der Bevölkerung strikt vorgeschrieben. Doch in Brandenburg will man die Gesetze einmal mehr auf kreative Weise umgehen. Das Projekt wird aufgespaltet in vier Einzelställe zu je 21.000 Hennen, die von vier „Einzel-GmbHs“ errichtet werden.
Denn laut Gesetz ist ab 60.000 Hühnern eine Umweltverträglichkeitsprüfung unter Beteiligung der Öffentlichkeit vorgeschrieben (siehe UVPG Anlage 1, Punkt 7.1). Ab 40.000 ist nur noch eine allgemeine Vorprüfung erforderlich und unter 40.000 ist es nur noch eine standortbezogene Vorprüfung ohne Beteiligung der Öffentlichkeit. Vor allem aber braucht man plötzlich keine Umweltverträglichkeitsprüfung mehr. Auch die Bürger würden erst vom Vorhaben erfahren, wenn die Bagger rollen. Auch die auf bestimmte Stallgrößen beschränkten Fördermittel kann man so wohl gleich vierfach kassieren.
Die Anwohner erfuhren nur durch Zufall von dem Vorhaben. Für sie ist eine mögliche Genehmigung nur schwer verständlich. Der Ort leidet noch immer unter DDR-Altlasten. Die LPG-Gebäude rotten vor sich hin und niemand sieht sich für den Abriss zuständig. Das Grundwasser ist aufgrund früherer Landwirtschaft noch immer nitratverseucht. In den Orten ist zudem nicht einmal mehr die Haltung einzelner Kühe erlaubt, und ein Reiterhof bekam nicht einmal die Haltung von 8 Pferden gestattet. Aber wenige hunderte Meter weiter sollen ohne Prüfung – und ohne die Anwohner zu befragen – 84.000 Hühner genehmigt werden?
Wir haben uns bereits im Sommer 2016 für die Anwohner eingesetzt. In einer Kleinen Anfrage wollten wir vom zuständigen Landesumweltamt wissen, ob es auf den Trick mit der Aufspaltung eingeht oder eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen wird. Eine konkrete Antwort bekamen wir nicht, nur die Aussage, dass die Prüfung noch nicht abgeschlossen sei. Vier Monate später warten die Betroffenen noch immer auf eine verbindliche Antwort.
Das sorgt trotz des erfolgreichen Volksbegehrens gegen Massentierhaltung nicht gerade für Vertrauen bei den Betroffenen. Grund genug, die Bürgerinitiative „Contra Eierfabrik“ und den Ortsvorsteher von Wensickendorf, Heinz Ließke (Freie Wähler Oranienburg), zu unserer Pressekonferenz einzuladen und das Thema der Presse vorzustellen.
Es wäre ja nicht das erste Mal, dass die Landesregierung meint, sich über Gesetze des Bundes oder der EU hinwegsetzen zu können. Wir erinnern da nur an zwei weitere Beispiele der letzten 2 Jahre. Etwa an Mehrow, wo eine illegale Schweinehaltung mitten im Ortskern nachträglich genehmigt wurde. Und eine ökologisch wertvolle Wiese im Ortskern wird zum Außenbereich definiert, um dann ohne Bürgerbeteiligung eine Schweineweide darauf zu genehmigen. Sämtliche Vegetation auf der Fläche stirbt unter der Güllelast, inklusive Bäumen. Und zwei benachbarte Teiche kippen um. Das Fleisch wurde derweil als Fleisch aus Bio-Freiland-Haltung verkauft. Wir fragen nach, warum 130 Schweine auf der Weide gehalten werden dürfen, laut Düngemittelverordnung aber nur 13 zulässig wären. Antwort der Landesregierung: Die Düngemittelverordnung gelte dort nicht, weil es keine landwirtschaftliche Fläche sei, obwohl Weiden explizit in der Verordnung aufgeführt werden. Erst nach jahrelangem Kampf durch unsere lokale Wählergruppe „Mehrow 21“ konnte die Einhaltung der Gesetze erreicht werden – angeblich freiwillig. Einen Fehler gab keine der beteiligten Behörden oder Ministerien zu.
Oder aber Wadelsdorf, wo von Behörden alle Hebel in Bewegung gesetzt wurden, um einem mit europaweitem Tierhaltungsverbot belegten Investor die Betriebsgenehmigung für einen jahrelang stillstehenden Stall zu gewähren. Die Zeit drängte, schließlich mussten Fristen eingehalten werden, um mittels Bestandsschutz die neuen Tierhaltungsvorschriften umgehen zu können. Wir machten in einer Kleinen Anfrage auf die dubiosen Umstände aufmerksam. Aber die Landesregierung interessierte dies alles nicht. Baubeginn vor Baugenehmigung? Egal. Die Gülletanks sind nicht genehmigt, laufen aber trotzdem voll? Egal. Auflagen nicht erfüllt und trotzdem genehmigt? Laut Landesregierung alles rechtens. Bis heute wird dort nur ein Scheinbetrieb aufrechterhalten, um auch zukünftig mittels Pseudo-Bestandsschutz die neuen Tierschutzverordnungen umgehen zu können. Fast zwei Jahre später sah das auch ein Gericht so, der Scheinbetrieb des Tierquälers steht vor der Schließung.
Unsere Forderungen:
Die „Einzelvorhaben“ sind als Gesamtheit betrachtet zu werden, eine Umweltverträglichkeitsprüfung hat zu erfolgen, ebenso die damit einhergehende Einbindung der Bevölkerung. Gesetze zum Schutz der Anwohner, der Tiere und der Umwelt sind einzuhalten. Beziehungen oder Geld in der Hinterhand dürfen keinen Einfluss auf die Auslegung von Gesetzen haben, Versuchen, diese zu umgehen, ist ein Riegel vorzuschieben. Sonst wird auch weiterhin die Hälfte aller Oberflächengewässer in Brandenburg nitratverseucht sein.
Presseecho:
BVB/Freie Wähler fordern Prüfung – Widerstand gegen zwei Legehennenanlagen in Oberhavel – RBB 22.11.2016
Widerstand gegen Legehennenanlagen in Oberhavel – dpa (u. a. erschienen in Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost, BILD, Focus online …) 22.11.2016