Kreislaufwirtschaftsgesetz als nächster Kostentreiber bei Kommunalabgaben absehbar – Landesregierung ignoriert Ökologie und Ökonomie
ZUSAMMENFASSUNG:
Die Umsetzung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes wird durch die flächendeckende Einführung der kostenpflichtigen Biotonne zu weiteren Kostensteigerungen für die Bürger führen. Die ökologischen Konsequenzen sind für viele Regionen zweifelhaft. Die ländliche Struktur Brandenburgs führt zu langen Transportwegen, und vielerorts werden Bioabfälle bereits mittels Komposthaufen verwertet. Die Landesregierung setzt das Kreislaufwirtschaftsgesetz jedoch stur um. Sie macht sich keine Gedanken über die Auswirkungen der regionalen Besonderheiten Brandenburgs. Sie bemüht sich auch nicht um Lösungen für den Fall, dass sich die Maßnahme im ländlichen Raum wegen übermäßigem Treibstoffverbrauch als umweltschädlich oder unwirtschaftlich erweisen könnte. Denn nach unseren Schätzungen macht die Abholung nicht nur wirtschaftlich keinen Sinn, sie wird auch umweltschädlich, wenn je Kilogramm Biomüll mehr als 40 Meter Fahrtweg anfallen.
Wir fordern: Die Landesregierung muss vorab Berechnungen zur Sinnhaftigkeit der flächendeckenden Einführung der Biotonne durchführen. Sollte sich per saldo kein Nutzen für die Umwelt herausstellen, muss sie sich auf Bundesebene dafür einsetzen, Ausnahmeregelungen für ländliche Gebiete zu schaffen. Kosten für die Bürger ohne Nutzen oder gar mit Schaden für die Umwelt sind nicht akzeptabel!
Die flächendeckende Einführung der Biotonne wird die Kommunalabgaben weiter erhöhen und das vielleicht ohne Nutzen für die Umwelt
LANGFASSUNG:
Durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz soll die Biotonne flächendeckend eingeführt werden. In einem städtischen Gebiet mit hoher Bevölkerungsdichte mag das eine gute Idee sein. Dort kann sie vielleicht sogar im günstigsten Fall kostendeckend sein, denn auch im Bioabfall steckt noch etwas Energie. Doch wie ist es in einer dünn besiedelten ländlichen Region, in der viele Bioabfälle oft per Komposthaufen auf dem eigenen Grundstück verwertet werden? Etwa im Einzugsbereich des Abfallentsorgungsverbandes „Schwarze Elster“, in dem nach Angabe des Ministeriums 72% der Einwohner ihren Biomüll selbst kompostieren.
Welchen Sinn macht es in dieser Situation, allen Bürgern kostenpflichtig eine Biotonne vor die Tür zu stellen und LKWs durchs Land fahren zu lassen, um weit im Raum verteilte Tonnen zu leeren, die vielleicht kaum genutzt werden? Ist das aus Sicht der Ökologie, Ökonomie und Energiebilanz sinnvoll? Noch Anfang 2014 stellte dies das Umweltministerium Brandenburg selsbt in Frage und sprach sich explizit gegen eine Pflicht und flächendeckende Einführung der Biotonne aus. Doch schon wenige Monate nach der Landtagswahl hörten sich die Planungen aus dem Minsiterium dann schon völlig anders an.
Die aktuellen Planungen der Landesregierung wollten wir von der Landesregierung in zwei umfangreichen Kleinen Anfragen erfahren. Doch die Antworten zeigten, dass diese Fragen der Landesregierung bei der Umsetzung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes egal sind. Schließlich muss nicht sie, sondern der Bürger die Kosten tragen. Und ob das Ganze im ländlichen Raum aus Sicht der Energiebilanz und Ökologie sinnvoll ist, will die Landesregierung auch nicht wissen. Eine Kleine Auswahl unserer Fragen samt Antworten der Landesregierung:
NOTWENDIGKEIT – ABFALLMENGE
Unsere Frage: „Wie hoch ist der Anteil Bioabfälle, aufgeschlüsselt nach Kreisen, der z.Zt. nicht getrennt erfasst wird, sondern im Restmüll (schwarze Tonne) enthalten ist?“
Antwort der Landesregierung: […] „Der Landesregierung liegt keine auf aktuellen Daten basierende und nach
Landkreisen aufgeschlüsselte Übersicht hierzu vor.“
Unsere Bewertung: Die Landesregierung kann nicht einmal abschätzen, welche Menge an Bioabfällen durch die Ausweitung der kostenpflichtigen Biotonnen gesondert erfasst werden kann. Es wird daraus klar, dass keinerlei Berechnungen zur Frage der Sinnhaftigkeit durchgeführt wurden.
ÖKOLOGIE – ENERGIEBILANZ & CO2-BILANZ
Unsere Frage: „Hat die Landesregierung eine Übersicht über die Energiebilanz des Einsammelns und Verwertens von Bioabfällen unter Berücksichtigung des Bedarfs an Primärenergie, insbesondere für das Einsammeln sowohl bei Bringsystemen als auch bei Abholung?“
Antwort der Landesregierung: „Der Landesregierung liegen keine gesonderten Energiebilanzen für das Einsammeln und Verwerten von Bioabfällen vor. Derartige Bewertungen erfolgen üblicherweise über ökobilanzielle Betrachtungen. Deren Aussagekraft geht über die einer reinen Energiebilanz hinaus. Die ökologische Vorteilhaftigkeit der Getrenntsammlung von Bioabfällen über die Biotonne bei hochwertiger Verwertung in einer Biogasanlage wurde dadurch vielfach belegt (vergleiche z.B. UBA 2012 – Optimierung der Verwertung organischer Abfälle, http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/461/publikationen/4310.pdf).“
Unsere Bewertung: Der Aufwand der Abholung wird in der von der Landesregierung verlinkten Studie gar nicht berücksichtigt, diese bezieht sich nur auf die Stoffbilanz der Verwertung selbst. Die Landesregierung hat sich trotz unserer Kleinen Anfrage keine Gedanken darüber gemacht, unter welchen Voraussetzungen die Energiegewinnung aus den Biogasanlagen überhaupt den Treibstoffverbrauch der Abholung (LKW im „Stop-and-go“-Verkehr) aufwiegen kann. Nicht einmal eine Überschlagsrechnung wurde angefertigt, um die maximalen, gerade noch sinnvollen Fahrtwege für Bioabfälle abzuschätzen.
Unsere Überschlagsrechnung:
1. Annahme: Müllfahrzeuge benötigen wegen Stop-and-go sowie der ständig mitlaufenden Hydraulik rund 100 l Diesel pro 100 km.
2. Dies setzt rund 260 kg CO2/100 km bzw. 260 g CO2/100 m frei.
3. 1 kg Biomüll erzeugt rund 0,1 m³ Biogas, aus dem sich rund 0,25 kWh Strom produzieren lassen.
4. Moderne Gaskraftwerke setzen rund 400 g CO2/kWh erzeugtem Strom frei. Demnach sparen die 0,25 kWh Strom aus Biogas im Vergleich zu einem Betrieb mit Erdgas rund 100 g CO2.
5. Berechnung: (100 g CO2/kg Biomüll) : (260 g CO2/100 m) = 38,46… m/kg Biomüll ~ 38 m/kg Biomüll
Unter diesen Annahmen macht die Abholung in der CO2-Bilanz keinen Sinn mehr, wenn
je Kilogramm abgeholtem Biomüll mehr als 38 Meter Fahrtweg anfallen. Denn ein Betrieb mit Erdgas wäre von der CO2-Bilanz her in diesem Fall günstiger. Zudem würde dies keine EEG-Subventionen benötigen, keine Kosten für die Biotonne bei den betroffenen Bürgern verursachen und keinen zusätzlichen Verkehr auf die Straßen bringen. Nun könnte man aus diesen Zahlen bestimmen, in welchen Gemeinden bzw. Landkreisen sich die Abholung lohnt und wo nicht. Doch dazu müsste man die jeweils anfallende Menge an Biomüll kennen, die die Landesregierung jedoch leider nicht weiß oder nicht wissen will. Also wird stur ein für den ländlichen Raum ungeeignetes Gesetz flächendeckend umgesetzt, das Geld der Bürger verschwendet und gleichzeitig die Umwelt geschädigt.
ÖKONOMIE – KOSTENDECKUNG
Unsere Frage: […] „Hält es die Landesregierung für möglich, das System nach dem Beispiel der Altpapiersammlung kostenneutral zu organisieren?“
Antwort der Landesregierung: „Es ist ökologisch sinnvoll und vom Gesetzgeber im Kreislaufwirtschaftsgesetz gefordert, über die Biotonne getrennt erfasste Bioabfälle einer hochwertigen energetischen und stofflichen Verwertung in Biogasanlagen mit anschließender Nutzung des Gärrestkomposts zuzuführen. Eine kostenneutrale Organisation solcher Systeme ist zurzeit jedoch noch nicht absehbar, da der damit verbundene Aufwand durch die am Markt erzielbaren Erlöse für die gewonnene Energie und den erzeugten Kompost noch nicht abgedeckt werden kann. Dies gilt nicht nur für die über die Biotonne erfassten Wertstoffe. Auch die getrennte Grünabfallsammlung und -verwertung erfolgt derzeit noch nicht kostenneutral.“
Unsere Bewertung: Die Landesregierung behauptet pauschal, es sei ökologisch sinnvoll, ohne dies zu belegen (siehe Ökologie – Energiebilanz und Notwendigkeit – Abfallmenge). Trotz der – bereits durch das EEG stark subventionierten – Einspeisevergütung der Biogasanlagen und des Verkaufs des Komposts als natürlicher Dünger lässt sich das System nicht kostendeckend betreiben. Hier sollte jeder mit einem Grundverständnis für Betriebs- und Volkswirtschaftslehre stutzig werden. Denn offensichtlich wird ein deutlich größerer Wert an Ressourcen (Treibstoff, Personal …) in das System hineingesteckt als produziert wird (Energie, Kompost). Der Bürger subventioniert erst über seine Rechnung für die Biotonne die Versorgung der Biogasanlagen mit Rohstoffen. Anschließend subventioniert er ein zweites Mal über das EEG die Abnahmepreise für den Strom der Biogasanlagen, um das augenscheinlich ökonomisch ineffiziente System zu finanzieren und das ohne Wissen, ob Energie- und Ökobilanz per Saldo positiv sind.
SCHLUSSFOLGERUNGEN – KONSEQUENZEN
Unsere Frage: „Welche Maßnahmen plant die Landesregierung für den Fall, dass aufgrund von Studien oder praktischer Erfahrung das Einsammeln und Verwerten wegen Mangels an ökologischer Notwendigkeit und Fehlens wirtschaftlicher Effektivität in einigen Regionen als nicht sinnvoll erachtet wird?“
Antwort der Landesregierung: […] „Eine Entbindung von dieser Pflicht für einzelne Regionen durch entsprechende Studien oder dergleichen ist im Gesetz nicht vorgesehen. Daher sieht die Landesregierung in Bezug auf diese Frage keinen Handlungsbedarf.“
Unsere Bewertung: Auch wenn sich herausstellen sollte, dass die Abholung ökologisch unsinnig ist, wird die Einführung der kostenpflichtigen Biotonne auch im ländlichen Raum von der Landesregierung stur umgesetzt – selbst wenn die Tonne nicht genutzt wird und die LKWs praktisch leer durch die Dörfer fahren. Das ist ökologischer und ökonomischer Unsinn.
Aus unserer Sicht ist zudem im Gesetz die Möglichkeit gegeben, Gebiete in solchen Fällen von der Pflicht zur Getrenntsammlung per Biotonne zu entbinden: Kreislaufwirtschaftsgesetz § 7 Abs. (4) „Die Pflicht zur Verwertung von Abfällen ist zu erfüllen, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist […] Die wirtschaftliche Zumutbarkeit ist gegeben, wenn die mit der Verwertung verbundenen Kosten nicht außer Verhältnis zu den Kosten stehen, die für eine Abfallbeseitigung zu tragen wären.“ Da die Verwertung vor Ort kostenlos ist, ist eine kostenpflichtige Biotonne hier nicht zumutbar. Folglich muss man die Bürger in solchen Fällen vor die Wahl stellen, ob sie die Biotonne wollen oder nicht. Wenn die Landesregierung der Meinung ist, dass dies § 7 Abs. 4 für Ausnahmen nicht hinreichend ist, muss sie sich auf Bundesebene für die Einführung von Ausnahmen einsetzen. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz darf nicht als Vorwand dienen, den Bürgern unnötige Kosten aufzubürden um neue Einnahmequellen für die Landkreise bzw. Zweckverbände zu schaffen.
Unsere Forderungen:
Die Landesregierung muss vorab Berechnungen zur Sinnhaftigkeit der flächendeckenden Einführung der Biotonne durchführen. Sollte sich per Saldo kein Nutzen für die Umwelt herausstellen, muss sie sich auf Bundesebene dafür einsetzen, Ausnahmeregelungen für ländliche Gebiete zu schaffen. Kosten für die Bürger ohne Nutzen oder gar mit Schaden für die Umwelt sind nicht akzeptabel!
Dokumente:
Antwort der Landesregierung auf Kleine Anfrage „Umsetzung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes in Brandenburg“
Antwort der Landesregierung auf Kleine Anfrage „Umsetzung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes in Brandenburg II“