BVB/FREIE WÄHLER setzt Zeichen auf den letzten Stationen des Bürgerdialogs zur Kreisgebietsreform
BVB/ FREIE WÄHLER war auf allen Bürgerdialogen vertreten – hier in Cottbus (Foto: Michael Helbig, Lausitzer Rundschau)
Cottbus ist die größte Stadt, der man den Verlust der Kreisfreiheit androht. Somit war mit reichlich Interesse aus der Bevölkerung zu rechnen. Dennoch wurde – möglicherweise absichtlich – eine zu kleine Halle angemietet. Anstelle der Stadthalle mit 1750 Plätzen entschied sich die Landesregierung für das Radisson Blu mit nur 600 Plätzen. Die waren schon lange vor Beginn der Veranstaltung voll. So blieben über hundert Gäste unter lautem Protest vor den Türen. Einige gingen enttäuscht nach Hause, andere blieben und wurden, wann immer ein Platz frei wurde, einzeln von der Security durchgelassen.
Trotz der gereizten Stimmung erhielt Schröter nach über einem Dutzend Veranstaltungen zum ersten Mal für eines seiner Argumente Applaus. Denn er schlug vor, dass man auch nur Teile der Verwaltung zusammenlegen könnte statt gleich den ganzen Landkreis. Es ist fraglich, ob dies nur die Gemüter beruhigen sollte oder ernsthaft verfolgt wird. Die Presse geht eher von einem „Verwirrspiel“ aus. Wir werden das im Landtag aufmerksam verfolgen und darüber berichten, ob Landesregierung und die SPD/Linke-Regierungskoalition im Landtag etwas in dieser Richtung unternimmt oder nicht.
Zu kleiner Saal: Viele Bürger mussten in Cottbus draußen bleiben (Foto: Michael Helbig, Lausitzer Rundschau)
Doch organisatorische Fehler waren das kleinere Problem. Das Hauptproblem war der Inhalt der Veranstaltungen. Man sagte den Bürgern stets nur die für sie positiven Argumente, den Rest verschwieg man.
Den ärmeren Landkreisen und kreisfreien Städten wurde finanzielle Hilfe aus den entstehenden Großlandkreisen versprochen – den potenziellen Fusionspartnern aber nicht gesagt, dass sie zukünftig ihre neuen finanziell unterstützen würden, die für sie verfügbaren Mittel aus dem Kreis folglich schrumpfen würden.
In den kreisfreien Städten wurde gesagt, dass sie mit 400 Millionen Euro teilentschuldet werden sollten und dass davon 200 Millionen „solidarisch“ von den restlichen Gemeinden Brandenburgs getragen werden. Die Summe von 200 Millionen Euro vom Land erzwungener „Solidarität“, um die man die Gemeinden in den Landkreisen schröpfen will, wurde dann in den Kreisen nicht mehr erwähnt. Es sei denn, es wurde aus dem Publikum explizit danach gefragt.
Auch wurden die Argumente gegen die Kreisgebietsreform stets weggewischt und mit oft falschen oder irreführenden Ausreden für unzulässig erklärt. Ein Beispiel war die willkürliche Auswahl der verglichenen Bundesländer. Denn es gibt viele Bundesländer mit kleinen Landkreisen, die eine effizientere Verwaltung haben als Brandenburg. Diese wurden jedoch nie angesprochen. Man pickte sich die zwei Beispiele heraus, die die Thesen der Landesregierung untermauerten – Mecklenburg Vorpommern und Sachsen. Beispiele, die sie widerlegten, wurden ausgeblendet.
Diese Kritik wurde schon in einer der ersten Veranstaltungen geäußert. „Wie kann es sein, dass Thüringen ohne Kreisgebietsreform mit den kleinsten Verwaltungseinheiten* eine effizientere Verwaltung hat als Sachsen 7 Jahre nach der Kreisgebietsreform mit großen Kreisen**? Warum orientiert man sich nicht erst einmal an Thüringen und schaut, was die Ursachen für die größere Effizienz ist?“, fragte Robert Soyka (BVB/FREIE WÄHLER) Anfang September in Lübben. Er bezog sich dabei nicht etwa auf seine eigene Berechnungen, sondern auf Diagramme, die vom Innenminister selbst in der Veranstaltung gezeigt wurden.
* Thüringen hat 17 Landkreise und 6 kreisfreie Städte bei 2,15 Mio. Einwohnern, also durchschnittlich rund 93.000 Einwohner je Verwaltungseinheit.
** Sachsen hat 10 Landkreise und 3 kreisfreie Städte bei 4,05 Mio. Einwohnern, also durchschnittlich rund 312.000 Einwohner je Verwaltungseinheit.
Statt auf das valide Argument einzugehen, machte man sich darüber lustig. BVB/FREIE WÄHLER sei schlecht informiert, schließlich plane die (neu gewählte, rot-rot-grüne) Landesregierung in Thüringen inzwischen auch eine Kreisgebietsreform, was doch beweise, dass größere Kreise die Effizienz steigern. Nach Lübben verschwand die entsprechende, die Argumentation der Landesregierung widerlegende Grafik aus den Vorträgen des Innenministers. Was nicht zu den eigenen Thesen passt, wird einfach nicht mehr gezeigt!
In Eberswalde (Barnim) wurde Schröter vom Landtagsabgeordneten Péter Vida (BVB/FREIE WÄHLER) erneut darauf angesprochen. Und gefragt, warum die Grafik plötzlich aus dem Vortrag verschwand. Argument des Innenministers diesmal: Es gebe ja Bundesländer mit bis zu 5 Verwaltungsebenen, das sei doch nicht vergleichbar! Wieder eine Ausflucht, ja sogar eine Lüge: Alle Bundesländer Ostdeutschlands haben die gleichen Verwaltungsebenen wie Brandenburg. Und Schröter selbst hatte zuvor mit Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen verglichen, um zu beweisen, dass größere Kreise effizienter sind. Ein Vergleich mit Thüringen, der das Gegenteil zeigt, ist hingegen unzulässig?
Wir konnten jeweils nicht auf die Ausreden des Innenministers erwidern („Der war schon mal dran!“). Somit konnten wir den Innenminister erst in der letzten Veranstaltung in der Prignitz mit seinen widersprüchlichen und voreingenommenen Aussagen festnageln. Dort fiel ihm keine Ausrede mehr ein – er war überführt, dass seine Statistiken nicht etwa objektiv Informationen zeigen, sondern absichtlich alle Informationen ausgeblendet wurden, die gegen die Kreisgebietsreform sprechen und er valide Argumente einfach mit unsachlichen Ausreden wegwischt. Dies wurde auch der anwesenden Presse klar, wie man den Kommentaren e
ntnehmen kann: „Die Regierung legt sich die Wahrheiten zurecht, wie sie ihr ins Konzept passen. Spricht ein Vergleich mit anderen Kreisen für ihr Vorhaben, ist er zulässig. Sind es Gegenargumente, ist kein Vergleich möglich. […] nicht zu einem einzigen Hinweis hat Schröter gesagt: ‚Darüber sollten wir nachdenken’“, schrieb „Der Prignitzer“.
Die Bürgerdialog-Veranstaltung in Perleberg war die Bestbesuchteste auf der Tour. Die Schätzungen reichen von 650 bis 1.000 Besuchern.
Péter Vida (BVB/FREIE WÄHLER) bewies in Perleberg, dass der Innenminister willkürliche Statistiken benutzt sowie Fakten und Argumente ignoriert.
Richtig in die Nesseln setzte sich der Innenminister jedoch mit seinem Brustkrebs-Stations-Vergleich. Nur bei genügend großen Fallzahlen könne so eine Station professionell arbeiten, so Schröter. Eine an Brustkrebs erkrankte Zuschauerin fand den Vergleich zu Recht pietätlos, zumal sie regelmäßig zur Behandlung auf den weiten Weg nach Berlin muss. Dies ist also kein Argument FÜR eine Verlagerung wichtiger Einrichtungen in weite Ferne, sondern DAGEGEN. So musste sich Schröter für den unpassenden Vergleich entschuldigen.
Schröter wirkte auf der letzten Veranstaltung lustlos, froh höchstens darüber, dass der Spießrutenlauf zumindest für ihn vorerst vorbei ist. Denn es war nicht gelungen, die Bürger von der Kreisgebietsreform zu überzeugen. Im Laufe der Veranstaltungen hatte der Protest nicht etwa abgenommen, sondern immer mehr Gruppen hatten begonnen, sich gegen die Kreisgebeitsreform auszusprechen. So hatten die Förster ihr anfängliches Schweigen gebrochen und waren auf den letzten Veranstaltungen zahlreich vertreten. Sie protestieren lautstark gegen die Pläne von SPD und Linke. Denn im Rahmen der Kreisgebietsreform soll die Landesforstverwaltung zerschlagen und unter den Kreisen aufgeteilt werden.
Noch am gleichen Tag veröffentlichten wir unser Fazit der Bürgerdialoge: Kreisgebietsreform ist in Brandenburg nicht mehrheitsfähig und sollte gestoppt werden.
Presse-Echo:
„Gedankenspiele“ – Meinungsartikel MAZ, 14.11.2015 (nicht online verfügbar)
„Ein überflüssiger Bürgerdialog“ – Meinungsartikel Der Prignitzer, 15.10.2015 (nicht online verfügbar)
Kreisreform – Schlagabtausch zeigt keine Lösung – Der Prignitzer, 15.10.2015
Innenminister dreht sich im Kreis – MOZ 09.10.2015
Verwirrspiel des Innenministers – Kommentar MAZ 08.10.2015
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