Erste Info-Veranstaltung zur Kreisgebietsreform – Minister Schröter und Görke konnten nicht überzeugen
Die erste Info-Veranstaltung im Stahlpalast in Brandenburg an der Havel lief äußerst positiv für die Gegner der Kreisgebietsreform. Mehr als 600 Interessierte Bürger fanden sich im größten Saal des Ortes ein, um ihre Meinung zur geplanten Kreisgebeitsreform kundzutun. Innenminister Schröter (SPD) und Finanzminister Görke (LINKE) wurden ausgebuht, während Gegner der Einkreisung in der Debatte regelmäßig mit langem Applaus bedacht wurden.
Keine Gebietsreform ohne Bürgerentscheid – Die Forderung kam gut an, einige Zuschauer lobten unseren Einsatz im Landtag
Kamen erst etwas später zur Veranstaltung: Demonstranten vom Bürgerfest für Kreisfreiheit
Mehrfach forderte man in der Debatte Bürgerentscheide, wie sie BVB / FREIE WÄHLER im Landtag Brandenburg beantragt hatte. Der Innenminister kanzelte diese Forderung jedoch einfach ab. Angeblich sei die Frage zu komplex und könne nicht mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden. Was an der Frage „Wollen Sie, dass die Stadt Brandenburg weiterhin kreisfrei bleibt?“ zu komplex ist oder nicht konkret beantwortbar ist bleibt ein Geheimnis des Innenministers. Im Landtag werden wir uns auf jeden Fall weiter für die Bürgerentscheide zur Kreisgebietsreform einsetzen. Die Bürger sollen selbst entscheiden!
Der Innenminister versuchte die Bürger der Stadt Brandenburg zu überzeugen, dass sie keine Nachteile vom Verlust der Kreisfreiheit befürchten müssten. Auch kreisangehörige Städte hätten die rechtliche Möglichkeit, freiwillig Nahverkehr und weitere Leistungen anzubieten. Dass sich die eingekreiste Stadt aufgrund drastisch reduzierter Mittelzuweisungen diese freiwilligen Leistungen nicht mehr leisten könnte verschwieg er den Bürgern lieber.
Die Glaubwürdigkeit des Innenministers ist in der Frage der Kreisgebietsreform ohnehin nicht besonders hoch. Vor nicht einmal zwei Jahren hatte er als Landrat persönlich angekündigt, gegen die Kreisgebietsreform zu klagen. Nun macht er als Innenminister Werbung dafür. Zudem wurde bekannt, dass die Landesregierung offensichtlich keine offene Debatte will. Plakatieren und Infostände wurden verboten, kritische Landräte und Bürgermeister wurden kurzerhand als Redner ausgeladen. Zustände, die eher an Alibi-Veranstaltungen in Pseudo-Demokratien wie der früheren DDR erinnern als an die Versprechungen der Landesregierung von einer offenen Debatte. Der Vorsitzende der Fraktion BVB / Freie Wähler im Kreistag Ostprignitz-Ruppin, Frank Schwochow, sagte gegenüber der MAZ: „Der Innenminister schadet damit der Demokratie“.
Auch Minister Görke kam mit merkwürdigen Argumenten: Würden die Zinsen um 0,5 % steigen, würde dies die Zinsbelastung um rund 300.000 Euro erhöhen. Ein Schreckensbild? Ob er mal im Kopf ausgerechnet hat, dass diese Mehrbelastung nicht einmal 5 Euro pro Kopf und Jahr bedeuten würde? Wir wissen es nicht.
Zumal das Problem der Zinsänderungen nichts mit der Einkreisung zu tun hat und die Lösung auf der Hand liegt: Teilentschuldung durch das in Geld schwimmende Land. Denn für diesen Zweck habe das Land 200 Millionen Euro zurückgelegt. Doch die soll es nur als Belohnung für Gehorsam bei der Einkreisung geben. Auf die Frage, warum nicht gleich entschuldet wird – ohne Aufgabe der Kreisfreiheit – hatten die Minister keine glaubwürdige Antwort. Vermutlich weil diese darin liegt, dass die Landesregierung so ein Druckmittel verlieren würde, mit dem man kreisfreie Städte zur Annahme der Kreisgebietsreform nötigen kann. Denn der Haushalt der Stadt Brandenburg wird 2016 bereits ausgeglichen sein, die Bevölkerung ist seit 2013 stabil. Strukturelle Hindernisse für eine Entschuldung wie ein fortlaufendes Defizit gibt es folglich nicht – problematisch sind für Brandenburg an der Havel jedoch die hohen Altschulden.
So kam dann Brandenburgs Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann auf die Frage zu sprechen, warum die kreisfreien Städte in dieser Lage sind. Die Landesregierung bürdet den Kommunen durch Gesetzesänderungen immer neue Lasten auf. Sie finanziert diese jedoch nicht ausreichend aus, obwohl dies eigentlich im Konnexitätsprinzip vorgeschrieben ist. Oft müsse jedoch erst lange vor Gericht geklagt werden, ehe das Land die Mittel rausrückt. Zwar sei man damit bisher immer erfolgreich gewesen, doch in dem langen Zeitraum der Klage bleiben die Kommunen auf den Kosten sitzen. Somit ist die Landesregierung für die Situation mitverantwortlich, die sie nun als Rechtfertigung für Zwangsmaßnahmen heranzieht.
Immer wieder kam nur ein einziges Argument für die Fusionen: angebliche Effizienzgewinne. Beweise für diesen Effizienzgewinn sucht man vergeblich. Lediglich der Unterschied bei der Zahl der Verwaltungsmitarbeiter zwischen Landkreisen wie Prignitz und Potsdam-Mittelmark wurde aufgeführt. Ein Vergleich, der hinkt. Viele Beamte sind unkündbar. Da die Einwohnerzahl Potsdam-Mittelmarks steigt, sinkt automatisch die Zahl der Verwaltungsmitarbeiter pro 1.000 Einwohner. Umgekehrt ist es für die schrumpfende Prignitz. Ausschlaggebend ist also nicht die Größe des Landkreises, sondern die Bevölkerungsentwicklung. Hätte man 1990 Prignitz und Ostprignitz-Ruppin fusioniert, würde der heutige Großkreis
„Prignitz-Ruppin“ ebenfalls mehr Verwaltungsmitarbeiter pro 1.000 Einwohner haben als Potsdam-Mittelmark.
Tiemann sagte zudem, dass man in solchen Bereichen zwischen kreisfreien Städten und Landkreisen eine gemeinsame Verwaltung aufbauen kann. Kooperieren statt fusionieren – ein Argument, das im Mai in einem Artikel vom Dr. Philip Zeschmann (BVB / FREIE WÄHLER) ausführlich beleuchtet wurde. Doch die Minister gingen auf die Möglichkeit nicht ein. Für sie gibt es nur eine Lösung: Mega-Kreise von der doppelten Größe des Saarlands – und schon wären alle Probleme gelöst.
Buhrufe und Pfiffe für Innenminister Schröter – Artikel der MAZ vom 01.09.2015
Stadt Brandenburg kämpft gegen Einkreisung – Artikel der MAZ vom 01.09.2015
Proteste gegen Verlust der Kreisfreiheit – Artikel der MOZ vom 31.08.2015